Prinz Charming
mußte seine Frau im Auge behalten, weil er ihrer Großmutter versprochen hatte, stets auf sie aufzupassen. Als er erfahren hatte, Victoria sei schwanger und unverheiratet, war sein Mitgefühl erwacht. Sie würde es nicht leicht haben. Auch seine ledige Mutter hatte große Schwierigkeiten meistern müssen.
Nun bewunderte er Taylor, die sich um die arme Frau kümmern wollte. »Wirst du ihr helfen, sich in Boston niederzulassen.«
»Genau das habe ich vor. Wollen wir jetzt losfahren? Bald sind alle Droschken besetzt.«
Lucas umfaßte Taylors linke Hand und Victorias rechte, dann führte er die beiden zu den Pferdewagen.
Mit seinen langen Schritten konnten sie kaum mithalten, und Victoria mußte ihren blumengeschmückten Hut festhalten, der ihr vom Kopf zu fallen drohte. Taylor stolperte
beinahe über ihre Röcke und rief indigniert: »Wir laufen doch nicht vor einer Feuersbrunst davon, Lucas!«
Da verlangsamte er sein Tempo. Als sie neben der Droschke standen, fragte er Victoria: »Wo ist Ihr Gepäck?«
»Ich habe Taylor die Scheine gegeben, und meine Sachen werden zusammen mit ihren ins Hotel gebracht«, erklärte sie, den Blick schüchtern zu Boden gerichtet.
Was für ein ängstliches Mädchen, dachte Lucas. Wie soll sie in der neuen Welt überleben, wenn niemand außer Taylor für sie sorgt?
Er beschloß, mit den Bankern zu reden. Der Trustfonds, den Lady Esther eingerichtet hatte, stellte ein beträchtliches Investment dar, das ihnen hohe Einnahmen sicherte. Deshalb würden sie nur zu gern den Lebensunterhalt beider Frauen finanzieren. Und Taylors Bostoner Verwandte, bei denen sie sich einquartieren wollte, würden sicher auch ihre] Freundin aufnehmen.
Nachdenklich hatte er die Stirn gerunzelt, was Taylor zu der Vermutung veranlaßte, er würde sich über Victorias Anwesenheit ärgern. Offensichtlich mißfiel es ihm, wenn seine Pläne geändert wurden. Wie mochte er sich verhalten, wenn er erfuhr, daß sich seine ganze Zukunft ändern würde?
Er half beiden Frauen in die Droschke, und Taylor wollte neben ihrer Freundin sitzen. Aber das verhinderte er, indem er neben ihr Platz nahm und sie in die Ecke drückte. Wohl oder übel mußte sich Victoria gegenüber niederlassen.
Taylor wollte ihm erklären, was sie von seinem anmaßenden Benehmen hielt. Aber er beachtete sie nicht und starrte gedankenverloren aus dem Fenster.
»Schau doch, Taylor!« rief Victoria. »Da ist Morrisons Cafe, genauso wie das in London! Und Tylers Schuhgeschäft!«
Taylor beugte sich vor und spähte durchs Fenster. »Ja, hier scheint es viele englische Läden zu geben - leider.«
Diese seltsame Bemerkung erregte Lucas’ Aufmerksamkeit. »Wieso leider?«
Sie verschwieg, daß sie in Amerika nicht an England erinnert werden wollte. Dafür hätte er kein Verständnis aufgebracht, und so erwiderte sie nur: »Ich dachte, hier wäre es nicht so wie in London.«
»Die meisten Geschäfte sehen ohnehin anders aus«, meinte Victoria. »In Amerika wirkt alles viel größer.«
Taylor nickte und versuchte, ihrer Freundin zuzuhören, aber ihre Gedanken schweiften ab - zu den Babys. Von innerer Unruhe erfaßt, konnte sie kaum still sitzen. In dieser wunderbaren Stadt lebten ihre Nichten. Sobald sie ihre Geschäfte mit den Bankern abgeschlossen hatte und Lucas auf dem Weg nach Redemption war, würde sie die Zwillinge und deren Kinderfrau, die gute Mrs. Bartlesmith, zu sich ins Hotel holen. Dann würden sie alle zusammen eine Woche in Boston verbringen, während Taylor eine Haushälterin einstellte und Kleidung für die Kinder kaufte.
Nun konnte sie es nicht mehr erwarten, ihre Nichten zu sehen. Wenn sie geschickt zu Werke ging, würde Lucas gar nicht merken, daß sie das Hotel verließ. Nur für eine Stunde. Sie wollte sich eine Droschke nehmen und zurückkehren, ehe sie vermißt wurde. Sicher freute sich Mrs. Bartlesmith über den Besuch. Taylor würde ihr die Zukunftspläne erklären und versprechen, jemanden zu engagieren, der beim Packen helfen konnte.
In ihrer freudigen Erregung ergriff sie Lucas’ Hand. Diese freundschaftliche Geste überraschte ihn, und er erwiderte ihr strahlendes Lächeln. »Boston scheint dir zu gefallen.«
»O ja.«
Aber wie ihm der geistesabwesende Ausdruck in ihren
Augen verriet, galt ihre Begeisterung nicht der Stadt, sondern etwas anderem. Vielleicht dachte sie an ihre Verwandten, an das Leben, das sie hier führen würde. Wo wollte sie wohnen? Bestimmt würde sie sich für den Hill entscheiden, wo alle
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