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Prinz Charming

Titel: Prinz Charming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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verlieren.
    Konnte sie ihrer eigenen Urteilskraft überhaupt noch trauen? Sie hatte geglaubt, William Merritt zu lieben, und sich zur Närrin gemacht. Lucas mochte anders sein als jener Schurke, aber er war ein Mann - und deshalb nicht vertrauenswürdig, was Liebe und Verantwortung betraf.
    Wenigstens war er von Anfang an ehrlich gewesen. Er hatte erklärt, er würde sie nicht brauchen und sich nur kurzfristig an sie binden. Und wie lohnte sie ihm seine Aufrichtigkeit? Indem sie sich an seinen Hals warf ... Kein Wunder, daß er davongelaufen war, um sich in Sicherheit zu bringen!
    Stöhnend zog sie die Decke bis zu ihrem Kinn hinauf und nahm sich vor, Lucas am nächsten Morgen um Entschuldigung zu bitten und zu versprechen, sie würde ihn nie wieder mit ihrer Neugier behelligen. Wenige Minuten später schlief sie ein und träumte von ihm.
    Auch ihm erschien sie in einem Traum - in einem Alptraum, aus dem er hochschreckte, in kaltem Schweiß gebadet.
    Vor seinem geistigen Auge sah er immer noch, wovon er geträumt hatte - Taylor, in einer Höhle gefangen. Er eilte zu ihr, und als er ihre Hand ergreifen wollte, stürzten die Wände und die Decke ringsum ein. Die Luft verwandelte sich in Erdreich, und sie konnten sich nicht rühren, nicht atmen. Verzweifelt versuchte er, sie zu retten - und die anderen ebenso.
    In seinem Schlaf verschmolzen zwei Alpträume miteinander. Einer war real, der andere imaginär. In der Höhle stand Taylor zwischen den Soldaten, die er gekannt hatte. Seine Freunde und Kameraden, ebenso wie er selbst von Major John Caulder in eine tödliche Falle gelockt... Um die eigene Haut zu retten, hatte der Offizier verkauft, was von seiner Einheit übriggeblieben war. Nicht nur aus Feigheit, sondern auch aus Habgier. Wie Judas erhielt er reichen Lohn für seinen Verrat, eine viel höhere Summe als jene dreißig Silberlinge, denn er konfiszierte einen Großteil der Goldfracht, die er schützen sollte.
    Keiner außer Lucas überlebte. Und das nur, weil die
    Renegaten Caulder versichert hatten, alle neun Männer seien tot. Doch der Major wollte kein Risiko eingehen. Die Kugeln, die jeden Mann in den Rücken getroffen hatten, genügten ihm nicht. Er mußte seine Karriere retten, von seinem Hals ganz zu schweigen, kein Makel durfte seiner brillanten militärischen Laufbahn anhaften. Niemand sollte nach dem Krieg die Wahrheit ausplaudern. Und so waren alle Soldaten verschüttet worden, für den Fall, daß einer noch geatmet hatte.
    Der Wutschrei, der in Lucas’ Kehle emporstieg, weckte ihn. Schweiß rann über seine Stirn, und er rang mühsam nach Luft. Bald konnte er wieder klar denken, der Zorn verflog, aber er mußte einige Minuten lang an Deck umherwandern, bis das beklemmende Gefühl in seiner Brust nachließ.
    An die Alpträume, die den Krieg immer wieder heraufbeschworen, war er gewöhnt. Aber warum tauchte Taylor inmitten eines Traums auf? Um sie brauchte er sich nicht zu sorgen. Es ging ihr gut. Aber obwohl er wußte, daß sie schlafend in ihrem Bett lag, mußte er sich vergewissern.
    Sie rührte sich nicht, als er die Kabine betrat. In tiefem Schlummer versunken, lag sie auf dem Rücken, und das goldene Haar umgab ihren Kopf wie eine Gloriole. Wie ein Engel sah sie aus, so sanft und friedlich. Vielleicht träumte sie von Teepartys und hübschen Verehrern. Darum beneidete er sie fast. Seine eigenen Träume wurden von Dämonen beherrscht. Wie sehr er sich von seiner Frau unterschied ... Vielleicht fühlte er sich deshalb zu ihr hingezogen. Sie verkörperte Wärme und Sonnenlicht, und ihm selbst war beides jahrelang verwehrt worden.
    Einige Minuten lang stand er neben dem Bett und betrachtete sie. Er konnte sich einfach nicht dazu aufraffen, die Kabine zu verlassen. Sicher wäre Taylor entsetzt, wenn sie über seine Vergangenheit Bescheid wüßte. Im Namen des
    Krieges und der Ehre hatte er unaussprechliche Dinge getan, um zu überleben.
    Schließlich schüttelte er den Kopf. Er wollte nicht länger gegen die Versuchung ankämpfen. Zu stark war die Lockung der Unschuld und Reinheit, die Taylor ausstrahlte. Und so setzte er sich, schlüpfte aus seinen Stiefeln und den Socken, dann streckte er sich neben ihr aus. Sofort rückte sie näher zu ihm. Er wandte sich zur Seite, nahm sie in die Arme und schloß die Augen.
    Wenig später schlief er ein, das Gesicht an ihrem Hals. Und der Allmächtige zeigte sich gnädig. Die Dämonen ließen Lucas in Ruhe.

5
    Wort ohne Sinn kann nicht zum Himmel

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