Prinz Charming
gerade einem Mann, der ihr eingeredet , hatte, er arbeite für das Hotel und würde sich um ihre Sachen kümmern. Lucas riß dem Dieb die Zettel aus der Hand und schlug ihn in die Flucht. Diese vermeintliche Unhöflichkeit empörte Taylor. Aber dann sah sie, wie er die Scheine einem Mann gab, dessen Mütze das Emblem des Hotels zeigte, und
erschrak über ihre Naivität. Der andere Bursche hatte keine solche Kappe getragen. »Oh, er hätte unser Gepäck gestohlen«, flüsterte sie.
Lucas nickte, aber sie ließ es nicht dabei bewenden, raffte ihre Röcke und rannte hinter dem Dieb her.
Ehe sie in der Menge verschwinden konnte, holte Lucas sie ein und packte ihren Arm. »Um Gottes willen, was treibst du denn?«
»Ich will diesen Schurken einfangen und der Polizei ausliefern.« Als er sie wortlos zu den Droschken zerrte, rief sie entrüstet: »Willst du denn nichts unternehmen?«
»Taylor, er ist längst auf und davon. In diesem Getümmel würden wir ihn niemals finden.«
»Aber ich erinnere mich genau an sein Gesicht«, prahlte sie.
»Und was würdest du tun, wenn du ihn aufgespürt hättest?«
Daran hatte sie noch nicht gedacht. Sie überlegte kurz, dann zuckte sie die Achseln. »Ich würde ihn festhalten und um Hilfe rufen.« Inzwischen sah sie ein, wie albern sie sich verhalten hatte, wäre aber lieber ins Grab gesunken, als das einzugestehen.
Lucas verdrehte die Augen. »Und wenn er sich weigert, während deines Hilferufs friedfertig dazustehen?«
»Dann müßte ich ihn niederschlagen.«
Beide wußten, daß dies eine leere Drohung war, und Lucas seufzte. »In Zukunft solltest du erst denken und dann handeln.« Mittlerweile hatten sie die Droschken erreicht, und er nannte einem Kutscher die Hoteladresse. Dann öffnete er die Wägentür. »Steig ein, Taylor.«
»Wir können noch nicht wegfahren. Erst muß ich auf meine Freundin warten. Sie wird uns ins Hotel begleiten. Gedulde dich noch ein wenig, Lucas. Ich dachte, ich würde
sie beim Gepäck treffen. Entschuldige mich, ich will sie suchen.«
»In diesem Trubel wirst du sie nicht finden«, erwiderte er und umklammerte ihre Hand.
»Da ist sie ja!« Sie rief Victorias Namen, aber die Freundin hörte es nicht. Da Taylor ihre Hand nicht von Lucas’ Griff befreien konnte, bat sie: »Hol sie doch!«
Endlich ließ er sie los. Sein Blick suchte die Menschenmenge ab. »Wo steckt sie denn?«
Aber er redete mit leerer Luft. Sobald er sie nicht mehr, festgehalten hatte, war sie davongerannt. Fluchend stürmte er hinter ihr her. Weil er größer war als Taylor und viel kräftiger gebaut, konnte er nicht so mühelos zwischen den Leuten hindurchschlüpfen.
Schließlich stieß er mehrere Männer einfach beiseite und erreichte Taylor, die hinter einer rothaarigen Frau stehengeblieben war. »Victoria!«
Ihre Freundin drehte sich erleichtert um, die Augen voller Tränen. »O Taylor, ich dachte schon, du hättest mich im Stich gelassen. Ich konnte mich nicht erinnern, wo wir uns treffen wollten.« Erfolglos versuchte sie zu überspielen, wie sehr sie sich gefürchtet hatte. Beinahe war ihr übel geworden.
»Das wußte ich auch nicht mehr.« Taylor streichelte beruhigend den Arm der schluchzenden jungen Frau. »An Deck oder beim Gepäck - aber das ist ja jetzt egal. Niemals hätte ich dich hier zurückgelassen. Und wenn wir aneinander vorbeigelaufen wären, hättest du zum Hotel fahren können. Du kennst doch die Adresse.«
Victoria nickte, zu verlegen, um zu gestehen, daß sie nicht genug Geld besaß, um eine Droschke zu bezahlen. Deshalb hätte sie zu Fuß zum Hamilton House gehen müssen. Taylor reichte ihr ein Spitzentaschentuch und wandte sich zu Lucas,
während die Freundin ihre Tränen trocknete. »Das ist meine liebe Freundin.«
»Warum weint sie?«
Seine taktlose Frage ärgerte sie. Wo Victoria doch so tapfer nach Fassung rang ... »Sie hat schwere Zeiten hinter sich - und sie ist in Trauer.«
»Bin ich das?« wisperte Victoria, und Taylor nickte energisch.
»Ja, natürlich. Du mußt wissen, Lucas - ihr geliebter Mann ist gestorben.«
Da stellte er keine weiteren Fragen. Nur zu gut erinnerte er sich an das nächtliche Gespräch zwischen den beiden Frauen, das er belauscht hatte. Er war nahe daran gewesen, die verrückte Person von der Kiste zu zerren und sich zu erkundigen, was zum Teufel mit ihr los sei. Doch da hatte Taylor eingegriffen, und er war im Schatten geblieben. Was die beiden miteinander redeten, interessierte ihn nicht sonderlich, aber er
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