Prinz Charming
glaube schon«, erwiderte sie zögernd. Dann fügte sie entschlossen hinzu: »Ja. Meine Großmutter versicherte mir, ich könne mich auf dich verlassen.«
»Und wenn sie das nicht gesagt hätte?«
»Du bist ein Mann, Lucas.«
»Was soll das heißen?«
»Im allgemeinen sollte man den Männern nicht trauen.
Diese Lektion haben Victoria und ich gelernt. Aber du bist nicht wie die anderen - und ganz gewiß nicht wie dein Halbbruder William, dieser elende Schwächling. Du wirst die Babys doch finden? Versprich es mir, und ich glaube dir.« »Ja, natürlich.«
»Und wenn man ihnen etwas antut...«
Ihr Kummer krampfte ihm das Herz zusammen. »So etwas darfst du nicht denken. Konzentriere dich lieber auf unsere Suche nach den Kindern, sonst verlierst du den Verstand.«
Sie versuchte, diesen Rat zu befolgen. Wann immer ihr ein schrecklicher Gedanke in den Sinn kam, verdrängte sie ihn. Schließlich zwang sie sich, eine Liste von den Sachen zusammenzustellen, die sie auf der Reise brauchen würde.
Endlich trafen sie im Hotel ein. Taylor eilte sofort zum Empfang und ließ sich den Zugfahrplan geben. Soeben war ein Zug abgefahren, und als sie das herausfand, hätte sie am liebsten geschrien. Und der nächste würde Boston erst um zehn Uhr morgens verlassen.
Ein Bote wurde mit Geld versehen und zum Bahnhof geschickt, wo er zwei Fahrkarten kaufen sollte. Das Angebot des Empfangschefs, ein Zimmer im Schwesternhotel in Cincinnati zu buchen, nahm sie gern an und bat ihn, auch eins für ihre Freundin reservieren zu lassen.
All diese Vorbereitungen halfen ihr, ruhig zu bleiben. Sie ging in ihr Zimmer, um ihre Sachen zu packen, und gegen zwei Uhr morgens klopfte sie an Victorias Tür.
Die Freundin konnte kaum ihre Augen offenhalten, bis sie erfuhr, was den Kindern zugestoßen war. Sofort war sie hellwach und vergoß bittere Tränen. »Oh, die armen Babys! Natürlich komme ich mit und helfe euch, so gut ich kann.«
Daran hatte Taylor nie gezweifelt. »In Cincinnati ist schon ein Zimmer für dich bestellt. Morgen früh können wir nicht alle unsere Sachen mitnehmen. Bitte, kümmere dich um
unser restliches Gepäck und fahr uns mit dem nächsten verfügbaren Zug nach.«
»Soll ich sonst noch was tun?«
»Geh zur Bank, heb so viel Geld ab wie nur möglich und nimm’s mit. Bevor ich abreise, unterschreibe ich einen Verrechnungsscheck für dich. Erzähl Sherman und Summers bitte nicht, wohin wir fahren.«
»Nein, gewiß nicht. Da ich noch einen Tag in Boston bleibe, könnte ich unsere Einkäufe erledigen.«
»Eine gute Idee! Ich gebe dir meine Liste.«
Victoria umarmte ihre Freundin. »Versuch, noch ein bißchen zu schlafen.«
Dieser Rat war gut gemeint, und Taylor nickte. Natürlich würde sie kein Auge zutun, aber sie wollte verhindern, daß Victoria sich Sorgen machte.
Schweren Herzens kehrte sie in ihr Zimmer zurück, und wenig später erschien Lucas. Er zog ihren Colt aus der Tasche, entlud ihn, legte die Waffe und die Munition auf den Tisch. Dann packte er ein paar Sachen, wozu er nur zehn Minuten brauchte. »Geh ins Bett, Taylor. Wir haben einen langen, anstrengenden Tag vor uns.«
»Noch nicht«, entgegnete sie, trat ans Fenster und starrte in die schwarze Nacht.
Er widersprach nicht und verschwand im Bad. Wahrscheinlich mußte sie eine Zeitlang allein bleiben, um ihre Nerven zu beruhigen. Ihr zuliebe behielt er die Hose an, ehe er wenig später aufs Bett sank.
Nach einer Stunde erwachte er. Seine Frau lag nicht neben ihm, stand immer noch am Fenster, den Kopf gesenkt. Obwohl sie keinen Laut von sich gab, wußte er, daß sie weinte. Ihr Schmerz war herzzerreißend. Leise stieg Lucas aus dem Bett, durchquerte das Zimmer, nahm sie wortlos auf die Arme, um sie in den Alkoven zu tragen. Während er sie bis aufs Hemd auszog, protestierte sie nicht. Willenlos ließ sie alles mit sich geschehen.
Er zwang sich, ihre seidige Haut zu ignorieren, die weichen Brüste, die er versehentlich streifte. In dieser Situation wäre es unehrenhaft gewesen, lustvolle Gedanken zu hegen und Taylors Verletzlichkeit auszunutzen. Sicher würde sie sich nicht wehren, seine Liebkosungen vielleicht sogar willkommen heißen - und ihre Hingabe am Morgen bitter bereuen. Verdammt, vielleicht entwickelte er sich tatsächlich zu einem Gentleman.
Bald schlief sie erschöpft in seinen Armen ein. Ihr Kummer tat ihm in der Seele weh, und er gelobte sich erneut, die Kinder zu finden. Was danach mit ihnen geschehen sollte, wußte er nicht.
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