Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prinz der Düsternis

Prinz der Düsternis

Titel: Prinz der Düsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
kostbarem Schnitzwerk und samtenen Bezügen waren geschmackvoll auf den Raum verteilt. Auf einem flachen, ebenso kunstvoll gearbeiteten Tisch standen große Schalen mit Früchten, daneben silberne Pokale und tönerne Krüge. Schwere, purpurrote Tücher verhingen den einzigen, bogenförmigen Eingang.
    Und der Boden, auf dem Shezad lag, bewegte sich. Es war ein stetiges Auf und Ab, durch die Teppiche gemildert. Die Prinzessin kam, etwas benommen noch, auf die Beine und atmete einige Male tief durch. Die Luft war voller unbekannter Wohlgerüche, dazu angetan, die Sinne zu berauschen.
    Doch plötzlich wusste Shezad wieder, weshalb sich der Boden bewegte. Sie schrak zusammen. Ihre Beine gaben nach, und sie ließ sich auf den nächsten Diwan fallen.
    Die Krieger mit den versteinerten Gesichtern und ebensolchen Waffen. Die Fackeln, die sich von der Mauer gelöst und zu einer Prozession formiert hatten, die sie zu diesem Palast geleitete – dem Palast auf dem Rücken eines der vor dem Schattenturm wartenden riesigen Yarls. Es war das größte dieser wahrhaft gigantischen Tiere gewesen, mit mehr als zwei Dutzend Beinpaaren und einem dreieckigen Schädel, der allein Platz für ein Haus geboten hätte.
    Shezad zitterte, als sich ihr diese Bilder wieder aufdrängten. Die Fackeln hatten die Nacht zum Tag gemacht. Weitere Lichter erhellten den Palast, ein beeindruckendes Gebäude von rechteckiger Grundform. Jene Seite, die ihr zugekehrt gewesen war, mochte gut und gerne hundert Fuß lang sein. Mehr als halb so hoch waren die Türmchen mit ihren golden schimmernden Spitzdächern, die die kunstvoll abgeschlossenen Mauern überragten. Doch was Shezad hatte an ihrem Verstand zweifeln lassen, war, dass dieser ganze Palast wie aus dem Rückenpanzer des Yarls herausgewachsen war. Wie im Traum war sie die steinernen Stufen hinaufgeschritten, die zu einem riesigen Tor führten, das weit offenstand für sie – und nur für sie.
    Die finsteren, unheimlichen Krieger hatten ihr durch Gesten den weiteren Weg gewiesen. Kein einziger von ihnen sprach zu ihr. Als sich die Portale hinter ihr schlossen, war sie allein gewesen, hinter Mauern in einem kleinen Innenhof, dessen Wände wahrhaftig aus Stein gewachsen waren – gewachsen wie die Helme der Krieger und ihre mächtigen Schwerter, wie die schlackeartigen Steingebilde auf den Gesichtern ihrer eigenen Begleiter.
    Der gesamte Palast war aus Goldenem Staub gewachsen. Shezad streckte den Arm aus und schob einen Wandteppich zur Seite, bis ihre Finger über den von feinen Rillen durchzogenen Stein fuhren. Entsetzen ergriff sie. Sie wollte schreien, hatte jedoch Angst vor jenem, der sie hören mochte, wollte fliehen und glaubte, allein der Gedanke an den, dem sie in die Arme laufen mochte, müsste sie ersticken.
    Prinz Odam, der legendenumwobene Herrscher der Düsterzone. Er hatte sein Reich verlassen, um sie zu sich zu holen. Wer hatte ihn gerufen? Garram? Nur so konnte es sein. Und niemand anders als ihr leiblicher Vater hatte ihm den Auftrag dazu erteilt. Niemals war es seine Absicht gewesen, sie wirklich nach Logghard zu schicken.
    Shezad konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie schüttelte sich in Weinkrämpfen, schlug in ohnmächtiger Wut auf den Diwan. Ihr Vater, der großmächtige Shallad Hadamur, suchte den Pakt mit Prinz Odam -und als Preis dafür schenkte er ihm seine Tochter. Es war wahrhaftig so!
    Aber warum zeigte Odam sich nicht? War er draußen bei seinen Kriegern oder hier im Palast? Wartete er darauf, dass sie zu ihm kam – aus freien Stücken?
    Lieber wollte sie hier elendig verschmachten. Ihr Blick fiel wieder auf die Schalen mit den Früchten, die Pokale und Kannen. Dazwischen brannten Kerzen auf wertvollen Ständern. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass, wer immer dies für sie hergerichtet hatte, es mit großer Sorgfalt getan hatte. Und die Krieger, bevor sich die Portale hinter ihr schlossen, waren nicht roh zu ihr gewesen. Im Gegenteil – sie hatten sie behandelt wie eine… Göttin?
    Was war danach mit ihr geschehen? Was hatte sie in diesen Schlaf versetzt, aus dem sie erst hier wieder erwachte? Was hatte sich ereignet, während sie schlief?
    Plötzlich hörte sie ein Geräusch wie von leisen Schritten. Ihr Kopf fuhr herum, und gerade sah sie noch, wie der Stoff der Vorhänge am Eingang schnell zurückgeschoben wurde. Eiseskälte griff nach ihrem Herzen. Sie sprang auf, stand zwei, drei Atemzüge lang zitternd vor dem Diwan, darauf gefasst, den

Weitere Kostenlose Bücher