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Prinz der Düsternis

Prinz der Düsternis

Titel: Prinz der Düsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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erhoben, doch niemand stellte sich ihnen in den Weg. Zögernd folgten die anderen. Die Stille, lediglich unterbrochen vom Stampfen der Yarls, legte sich lähmend auf ihre Glieder. Mythor atmete tief durch und sah sich um. Eine aus Stein gewachsene Treppe führte zu einem weiteren Portal, dem Eingang des eigentlichen Palasts.
    Es war geschlossen, doch nicht verriegelt. Als Mythor und Hrobon sich gemeinsam mit den Schultern dagegen warfen, gaben die beiden Flügel nach. Halb fielen die Männer in den hell erleuchteten, prunkvoll ausgestatteten Gang dahinter. Mythor winkte Sadagar, No-Ango und die Vogelreiter an sich vorbei, bevor er die Flügel hinter sich zustieß. Die Stille war nun vollkommen, und aus der Ahnung, nur Odam und Shezad befänden sich im Palast, wurde Gewissheit. Keines Kriegers Fuß hatte diese kostbaren Teppiche jemals betreten und entweiht. Dies war allein Odams Reich. Deshalb also das hilflose Entsetzen der Krieger, und deshalb hatte niemand versucht, die Entflohenen zurückzuholen. Ein Mann wie Odam hatte die Macht, ihnen allein gegenüberzutreten und sie zu strafen für den Frevel, den sie begingen.
    Mythor zwang sich dazu, nur an Shezad zu denken. Wo war sie? Wo hielt der Herrscher der Düsterzone sie gefangen? »Wir bleiben zusammen«, sagte er.
    »Na… natürlich!« flüsterte Sadagar schnell, als hätten die Wände Ohren, ihn zu hören. »Was dachtest du?«
    Hrobon bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick. Er hielt Mythor zurück, als dieser voranschreiten wollte. »Ich war für die Sicherheit der Prinzessin verantwortlich«, knurrte er. »Und ich werde mich zum Kampf stellen.«
    Mythor gab keine Antwort. Er ließ den Heymal an sich vorbei und sah aus den Augenwinkeln heraus, wie No-Ango den Kopf schüttelte. Sadagar seufzte gequält und umklammerte das für ihn viel zu große Steinschwert mit beiden Händen.
    Mythor verstand den Heymal nur zu gut. Doch ein Mann allein dürfte gegen Odam nichts ausrichten können. Er bezweifelte sogar sehr, dass sechs dies vermochten.
    Hrobon ging voran, über lange, kostbare Teppiche bis zum Ende des Ganges. Die Gefährten warfen Blicke in jedes Gemach, entschlossen, die Prinzessin aus den Klauen Odams zu befreien, und doch voller Furcht vor dieser legendenumwobenen Gestalt. Jeder Raum war eine neue Herausforderung, jeder neugierige Blick konnte der letzte sein. Immer wieder sahen die sechs sich um, als ob ihnen jemand mit leisen Schritten folgte. Sie spürten, dass sie nicht allein waren. Odam beobachtete sie. Er war überall. Er…
    Mythor riss sich zusammen, schüttelte das Grauen ab, das ihn mehr und mehr ergriff. Hier unten war nichts und niemand. Hrobon machte kehrt und stieg eine Treppe hinauf. Sadagar erschrak vor seinem eigenen Schatten, den die Fackeln in den goldenen Wandhalterungen ihm vor die Füße zauberten. Je weiter die Gefährten in den Palast vordrangen, desto bedrohlicher wurde die unheimliche Ausstrahlung, die ihnen entgegenschlug, desto größer jedoch auch die eigentümliche Faszination, die von der Pracht um sich herum ausging.
    Plötzlich war es Mythor, als hörte er leise Stimmen. Er legte die Hand auf Hrobons Arm und blieb stehen. »Hört ihr?« fragte er flüsternd.
    Einen Augenblick war Stille. Dann vernahmen sie es alle.
    »Die Prinzessin!« entfuhr es Hrobon. Sein Schwert zeigte in den Gang, auf den Eingang zu weiteren Gemächern. Mythor hielt den Mann zurück, als er losstürmen wollte. Für einen Augenblick versprühten die Augen des Vogelreiters Blitze, und es hatte den Anschein, als wollte er das Schwert gegen Mythor erheben. Seine Krieger stellten sich drohend hinter ihn. Dann senkte der Heymal die Klinge und schlug die Augen nieder.
    »Wir sind zu nahe am Ziel, um das Leben der Prinzessin durch Unbedachtsamkeiten aufs Spiel zu setzen«, appellierte Mythor an ihn. Die Ruhe, mit der er sprach, überraschte ihn selbst. Plötzlich war es, als risse der Vorhang der überall spürbaren unsichtbaren Bedrohung auf und ließe Licht hindurch. Alle nahmen die unheimliche Veränderung wahr, und sie standen verwirrt und ratlos auf dem Gang, als zwei Gestalten aus dem Eingang traten, den Hrobon noch eben zu erstürmen trachtete.
    »Die Prinzessin!« flüsterte Hrobon in ungläubigem Erstaunen. »Und… O nein!«
    Sie standen Hand in Hand, schweigend und ihre Blicke auf die Eindringlinge gerichtet. Mythor unterdrückte einen Ausruf. Auch er war unfähig, das zu begreifen, was seine Augen ihm vermittelten.
    Shezad lächelte ihn an.

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