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Prinz der Düsternis

Prinz der Düsternis

Titel: Prinz der Düsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Fenster der Turmkammer in die Nacht hinaus. Zu beiden Seiten des Yarls stampften nun andere dieser großen Tiere. Eine ganze aus Stein gewachsene Stadt schob sich der noch fernen Düsterzone entgegen, Odams Reich.
    Oder war auch dies nur Gerede? War Odam gar nicht der mächtige Herrscher, als der er galt? Zwang ihn etwas dazu, den Dunklen Mächten zu dienen, gegen seinen Willen?
    Liebe, Liebe und Zärtlichkeit…
    Shezad wischte sich die Tränen aus den Augen, wobei ihre Finger erste Anzeichen beginnender Steinbildung fühlten. Auch das schreckte sie nicht mehr. Irgendwo in diesem Palast wanderte ein Mann rastlos umher, der tausendmal Schlimmeres zu erdulden hatte. Aber er hatte die Düsterzone verlassen, um sie zu holen, jetzt, da die Mächte der Finsternis alles in den Kampf um Logghard warfen. Ihretwillen schien er bereit zu sein, auf den Kampf zu verzichten. Hätte Gold dies bewirken können, ihr Vater hätte ihn mit Schätzen überschüttet.
    Er wollte sie, eine Gefährtin. Er behandelte sie wie eine zarte Blume, deren Schönheit dahinwelken musste, wenn sie ihn sah. Er hatte die Macht, sie rücksichtslos zu nehmen. Doch er tat es nicht. Lieber schien er auf sie verzichten zu wollen, als sie dem Schrecken seines Anblicks preiszugeben. Wie viel Sanftheit, wie viel Güte musste im Herzen eines solchen Mannes wohnen?
    Er war nicht der Unhold, nicht die reißende Bestie aus den Legenden.
    Die Prinzessin hielt noch die Maske aus dem Schlafgemach in ihren Händen. Nun betrachtete sie sie erneut, bevor sie sich erhob und die Treppenstufen hinabschritt. Plötzlich wusste sie, dass er auf sie wartete. Sie konnte nicht sagen, woher. Das Wissen war in ihr, mehr als bloßes Gefühl. Qualen und Leid vieler Jahre umgaben sie, eingewachsen in den Stein der Mauern. Unendliche Sehnsucht eines Einsamen nach einem Menschen, der ihn verstehen konnte.
    Shezad ging den Weg zurück, den sie gekommen war, folgte der unsichtbaren Fährte bis zum für sie hergerichteten Gemach. Vor den Vorhängen blieb sie stehen, wissend, dass es nicht zu spät zur Umkehr war. Wenn sie nun kehrtmachte, dessen war sie sicher, würde Prinz Odam seinen Kriegern befehlen, sie zum Salzspiegel zurückzubringen.
    Sie presste die Maske gegen die Brüste und schlug den schweren Stoff zurück.
    Prinz Odam stand vor ihr, eine hochgewachsene, eindrucksvolle Gestalt in rotem Umhang, der ihm bis zu den Füßen reichte. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, doch so, wie sie seine Ausstrahlung spürte, fühlte er, dass sie zurückgekommen war. Die Lampen und Kerzen beschienen ein helmartiges Gebilde aus dem bekannten Schlackestein, grau und schwarz, an einigen Stellen golden funkelnd.
    Shezad war völlig ruhig, als sie den Raum betrat und den Vorhang hinter sich schloss. Ihr Herz klopfte, doch ihre Hände zitterten nicht. »Mein Prinz…«, flüsterte sie.
    Odam schien noch zu wachsen. Er tat einen tiefen Atemzug. Dann hörte sie ihn seufzen, und in diesem Laut lagen Welten.
    Er drehte sich um.
    *
    Die Gelegenheit kam früher, als Mythor zu hoffen gewagt hatte.
    Als sich die schweren Schritte nahten, wusste jeder, was er zu tun hatte. Mythor und Hrobon verständigten sich durch Blicke. Der Heymal nahm seine beiden Krieger und führte sie zur Wand gleich hinter der steinernen Tür. Mythor, Sadagar und No-Ango warteten. Der Steinmann hatte in letzter Zeit kaum ein Wort gesprochen.
    Mythor brachte ein Grinsen zustande und legte ihm eine Hand auf die Schulter, rüttelte ihn leicht und flüsterte: »Nur Mut, Sadagar. Wir stecken nicht zum erstenmal in der Klemme.«
    »Ja«, gab der Steinmann ebenso leise zurück, den Blick starr auf die Tür gerichtet. »Aber nie in einer solch verflixten Klemme! Und dieser Zwerg Nadomir lässt mich im Stich!«
    Natürlich war dem nicht ganz so. Beide wussten es.
    Die Krieger waren heran. Im Spalt unter der Tür waren die Schatten ihrer Stiefel zu sehen. Ein schwerer Riegel wurde knirschend zurückgeschoben. Stimmen waren undeutlich zu hören. Zum erstenmal überhaupt hörte Mythor die Krieger Odams sprechen. Sie konnten es also, im Gegensatz zu Jehaddad. Woher sie immer kommen mochten, welch grausames Los sie hierher verschlagen hatte oder ob sie hier ansässig gewesen waren und nicht mehr vor der sich ausbreitenden Düsterzone fliehen konnten – sie hatten sich angepasst, um zu leben.
    Mythor fragte sich, wie sehr er darauf bauen konnte, dass sie ihn und die anderen weiterhin »nur« wie Gefangene behandeln würden. Vielleicht hatte Odam

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