Prinz der Nacht
sicher?«
»Nein. Hier war die Hölle los.« Ungläubig schaute er sich um und sah das Blut im Schnee. Von wem es stammte, wusste er nicht. Dann ahnte er die Wahrheit. An dieser Stelle war ein Dark Hunter gestorben.
Nur ganz selten fanden die Angehörigen dieser Spezies den Tod, er empfand eine seltsame Trauer um den Mann, der hier ermordet worden war. Das ist einfach nicht richtig - nicht fair. Wenn irgendjemand einen solchen Preis zahlen musste, wäre es seine Pflicht gewesen - er hätte hierbleiben und Thanatos entgegentreten müssen. Stattdessen war ein Unschuldiger in einen Schatten verwandelt worden. Bei diesem Gedanken hätte er Artemis am liebsten erdrosselt.
Und wo zum Teufel steckte Acheron? Obwohl er sich so eifrig für die Dark Hunter einsetzte, glänzte er schon viel zu lange durch Abwesenheit.
Seufzend drehte er sich zum Schneemobil um. »Komm, wir haben viel zu tun.«
Dann ging er davon und überließ es Astrid, ihren Weg selbst zu suchen.
»Zarek, du musst mir helfen, damit ich nicht stolpere. Hier kenne ich mich nicht aus.«
Beinahe hätte er sie an ihre Behauptung erinnert, sie könnte auf sich selbst aufpassen. Aber er entsann sich, wie es gewesen war, nur Schatten zu sehen und ständig zu straucheln. Andererseits wollte er Astrid nicht mehr berühren. Nie wieder diese heiße Sehnsucht empfinden.
Trotzdem zwang er sich, ihre Hand zu ergreifen. »Komm, Prinzessin.«
Sie unterdrückte ein Lächeln. An seinem rauen Tonfall merkte sie, dass sie einen kleinen Sieg errungen hatte.
Außerdem nannte er sie nicht mehr »Prinzessin«, um sie zu beleidigen. Wahrscheinlich merkte er es nicht, aber jedes Mal, wenn er sie so anredete, klang seine Stimme etwas sanfter.
Irgendwann im Lauf der Träume hatte sich die Beleidigung in ein Kosewort verwandelt.
Zarek führte sie in seine Hütte. »Bleib hier stehen«, befahl er und schob sie an die Wand links von der Tür. Zu ihrer Rechten vernahm sie Geräusche. Während er beschäftigt war, tastete sie sich an der Wand entlang zu ihm.
Erstaunt berührte sie geschnitzte Ornamente. Was sie darstellten, konnte sie nicht erkennen. Offenbar bedeckten sie die ganze Wand. »Was ist das?«
»Eine Strandszene«, antwortete er geistesabwesend.
»Was? Eine Strandszene, in deine Wand geschnitzt?«
»Manchmal langweile ich mich, okay?«, fuhr er sie an. »Also schnitze ich dies und das. Wenn mir im Sommer das Holz ausgeht, bearbeite ich eben die Wände und Regale.«
Astrid erinnerte sich an den Wolf, den er in ihrem Haus geschnitzt hatte. Als sie nach der nächsten Wand tastete, stolperte sie über irgendetwas. Klirrend rollten mehrere hölzerne Gegenstände auseinander.
»Verdammt, du solltest doch bei der Tür stehen bleiben !«, schimpfte Zarek.
»Tut mir leid.« Sie kniete nieder, um die Holzstücke aufzuheben, und ertastete geschnitzte Tiere. Mindestens ein paar Dutzend. Bewundernd strich sie über einige Kunstwerke. »Hast du die alle gemacht?«
Wortlos sank auch er auf die Knie und riss ihr die Figuren aus der Hand, sammelte die anderen ein und legte sie an ihren Platz in der Ecke zurück.
»Zarek ! «, mahnte sie. »Sprich mit mir !«
»Und was soll ich sagen? Ja, ich habe dieses verdammte Zeug geschnitzt. Normalerweise stelle ich jede Nacht drei oder vier Figuren her. Na und?«
»Dann müsste es viel mehr geben. Wo sind die anderen?«
»Keine Ahnung.« Jetzt klang seine Stimme nicht mehr so feindselig. »Ab und zu bringe ich ein paar in die Stadt und verschenke sie, die anderen verbrenne ich, wenn die Generatoren ihren Geist aufgeben.«
»Bedeuten sie dir nichts?«
»Nein, nichts bedeutet mir irgendwas.«
»Gar nichts?«
Bis er antwortete, dauerte es eine Weile. Er betrachtete Astrid, die neben ihm kniete, die Wangen rau, die Haut nicht mehr so weich, wie sie damals in ihrer Hütte ausgesehen hatte. Da sie nicht genau wusste, wo er war, starrten ihre blicklosen Augen über seine Schulter hinweg. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, die Haare zerzaust.
In seiner Fantasie sah er sie unter sich liegen, spürte ihre Haut an seiner. In diesem Moment machte er eine verwirrende Entdeckung. Doch, es gab etwas, das ihm etwas bedeutete. Nämlich sie.
Obwohl sie ihn belogen und hintergangen hatte, wollte er sie nicht verletzen. Und er wollte nicht sehen, wie die Eiseskälte ihrer Haut schadete. Davor musste sie geschützt werden. Wie er sich für diese Schwäche hasste.
»Nein, Prinzessin«, flüsterte er, und die Lüge blieb beinahe in seinem Hals
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