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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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sich vor und mustert mich aufmerksam. »Sag mal, hast du geweint?« Ich winke ab. »Ist einfach nicht mein Tag heute, okay?« Er nickt und gibt den Weg frei. »Okay. Pass auf dich auf.« Dann hebt er die Hand, es sieht ein bisschen hilflos aus, wie ein verunglücktes Winken, und plötzlich tut er mir furchtbar leid. Hat er sich vielleicht so gefühlt, wie ich jetzt, als ich damals mit ihm Schluss gemacht habe?
    »Hey Nico«, rufe ich ihm hinterher. »Lass uns mal einen Kaffee trinken gehen, okay? Vielleicht über das sprechen, was war?« Er lächelt nicht mehr, sondern verwandelt sich wieder in den Nico, den ich in den letzten Wochen kennengelernt habe. »Ich glaub, da hab ich Besseres zu tun«, antwortet er arrogant, kurz darauf ist er verschwunden. Schulterzuckend gehe ich weiter. Das mit Nico werde ich nie mehr kitten können, davon bin ich jetzt mehr denn je überzeugt. Wenig später schließe ich die Wohnungstür auf. Bernadette ist in der Küche. Ich schaue nur kurz zu ihr hinein, um die Milch, die ich mitgebracht habe, in den Kühlschrank zu stellen. Ich will mich nur noch in meinem Zimmer einschließen und traurige Musik hören, aber Bernadette möchte reden. Sie sieht aufgebracht aus. »Was ist denn los?«, frage ich müde. »Violetta war hier.« Bernadette fährt sich durch die blonden Haare und geht hektisch auf und ab. »Und sie hat total hässliche Sachen losgelassen!« Am liebsten möchte ich ihr sagen, wie herzlich egal mir Violetta im Moment ist, aber anscheinend ist Bernadette ehrlich getroffen. »Sie gönnt es mir einfach nicht, dass ich eine Freundin habe und sie nicht!« »Vergiss sie doch einfach.« »Aber es ging um dich!«, braust Bernadette auf. »Sie hat sogar behauptet, dass du eine falsche Schlange bist und eine Lügnerin!« Ich halte unwillkürlich die Luft an. Violetta hat über mich gesprochen? Sie kennt mich doch gar nicht. Was habe ich ihr denn getan?
    »Und dann hat sie gesagt, dass ich fett bin und nie einen Freund kriegen werde!« Erleichtert atme ich aus, für einen Moment hatte ich das Schrecklichste befürchtet. Offenbar war Violetta mal wieder dabei, nach allen Seiten auszuteilen. »Hör mal, Violetta sieht zwar aus wie ein Gerippe, aber hat sie vielleicht einen Freund?«, versuche ich Bernadette zu trösten. Sie muss grinsen. »Stimmt! Trotzdem schafft sie es einfach immer, dass ich mir hässlich vorkomme. Ich hasse sie!« »Sie ist immerhin deine Schwester.« »Na, und wennschon. Aber du hast recht, ich muss aufhören, mich von ihr schikanieren zu lassen.« Sie mustert mich. »Wie wäre es mit einem Kaffee? Du siehst auch ziemlich fertig aus.« Sie schaut mich so mitleidig und fürsorglich an, dass mir ganz kalt wird, trotz der Hitze. Und offenbar kann ich meine Gefühle nicht so gut verbergen, wie ich denke, denn Bernadette ist ganz erschrocken. »Hey, Lissie.« Sie kommt näher. »Ist was passiert?« Ich merke, wie ich drauf und dran bin, die Fassung zu verlieren. »Ich habe...«Für einen Moment kommt mir der wahnwitzige Einfall, Bernadette alles zu erzählen, mein Gewissen zu erleichtern. Aber dann sage ich nur: »Ich habe...ich habe mit dem Lehrer Schluss gemacht.« Und dann weine ich tatsächlich, die Tränen fließen einfach so und Bernadette nimmt mich in den Arm, ohne groß Fragen zu stellen, und für einen Augenblick kann ich mich einfach fallen lassen. »Ist ja schon gut«, murmelt sie und streichelt über meine Haare. »Wird alles wieder gut, Lissie.« Wieder und wieder sagt sie das und ich fühle mich tatsächlich merkwürdig getröstet. Irgendwann löst sie sich von mir. »Komm, du wirst sehen, wir werden ganz viel Spaß haben«, sagt sie aufmunternd. »Und alle Violettas oder Lehrer dieser Welt können uns scheißegal sein. Ist der Typ etwa auch so ein grässliches Gerippe wie die blöde Kuh dort unten? Dann könnten wir gemeinsam über die beiden lästern.« Ich schniefe und muss lachen. »Pass mal auf, ich mach uns was zu trinken und dann reden wir, okay?« Ich nicke, plötzlich fühle ich mich bis in die Knochen erschöpft und es tut mir gut, dass Bernadette mich ein bisschen bemuttert, auch wenn ich weiß, dass ich nicht mit ihr sprechen kann, ohne ihr weitere Lügen aufzutischen. Wenig später sitzen wir auf den Korbstühlen unter der Markise. Doch auch im Schatten ist es hier oben wie in einem Backofen. Die Blätter des Jasmins hängen schlapp und kraftlos herunter. Bernadette gießt die Gläser voll, nimmt sich einen der Kekse und beißt so herzhaft

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