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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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hinein, dass die Geleefüllung an beiden Seiten herausquillt. Ich greife nach meinem Glas und trinke einen Schluck. Aber einen Keks bringe ich ganz sicher nicht runter. Hat Kai in der Zwischenzeit wohl angerufen? Möchte er sich vielleicht entschuldigen? Versucht er, alles wiedergutzumachen? »Ich wünschte, es wären schon Ferien«, sage ich mit einem Seufzer und ich meine es aus tiefstem Herzen. Sechs Wochen lang fahre ich zu Papa aufs Schiff. Mein Flug nach Athen, von wo aus ich zusteigen soll, ist schon gebucht. Und Athen ist weit weg, weg von Kai und allen Versuchungen, die mit ihm verbunden sind.
    Ja, das ist es. Ich möchte hier nur noch weg. Bernadette nickt, aber mit einem Gespräch über die Sommerferien lässt sie sich nicht abspeisen. »Jetzt erzähl doch mal, was war denn nun mit deinem Lehrer?«, fragt sie und schaut mich neugierig an. Ich schüttele den Kopf, schnappe mir die Gießkanne, stehe auf und gebe dem Jasmin Wasser, alles, nur damit ich sie nicht anschauen muss. »Du bist schrecklich, du kannst keine fünf Minuten still sitzen bleiben.« Bernadette nimmt sich noch einen Keks. »Heute Mittag ist es die große Liebe und ein paar Stunden später ist es aus? Das kapier ich nicht.« Sie verlegt sich aufs Betteln. »Willst du mir wirklich nicht sagen, wer es ist?« »Das kann ich nicht, das weißt du genau. Aber eins ist sicher. Es ist vorbei.« Ich muss schlucken, weil mir wieder die Tränen kommen. »Was deine Mutter vorhin gesagt hat...irgendwie hat sie recht gehabt.« Bernadette starrt mich an. »Das heißt, du warst wirklich mit ihm zusammen, oder? So mit allem Drum und Dran?« »Bernadette!« Sie zieht eine Schnute. »Ich bin ja schon still«, sagt sie, doch ich merke, dass sie platzt vor Neugier. »Dann bleibt uns eben nichts anderes übrig, als für Bio zu lernen.« Sie seufzt theatralisch und schaut mich mit ihren riesigen Augen an. Trotz meines Kummers muss ich grinsen, natürlich hat sie das ironisch gemeint, aber ich ergreife nur zu gern die Gelegenheit, ihren bohrenden Fragen zu entkommen. Bevor Bernadette protestieren kann, laufe ich in mein Zimmer, um die Bücher und Hefte zu holen. »Gute Idee.« Wir büffeln zwei Stunden, zwei Stunden, in denen es mir manchmal gelingt, an etwas anderes zu denken als an Kai und das, was heute Nachmittag passiert ist.
    Zur Belohnung bestellen wir uns schließlich eine Pizza, von der ich fast keinen Bissen herunterbekomme, was Bernadette aber freut, denn so kann sie meine auch noch essen. Dann fühle ich mich auf einmal so schlapp und ausgelaugt, dass ich einfach ins Bett gehen muss. Als ich Bernadettes enttäuschtes Gesicht sehe, biete ich an, ihr Rapunzelhaar zu bürsten, was Bernadette liebt. Und zum ersten Mal, seit ich hier eingezogen bin, komme ich mir nicht mehr wie eine falsche Schlange vor. Bernadette gibt mir ein Gute-Nacht-Küsschen und gähnt herzhaft. »Wie du mit leerem Bauch schlafen kannst, ist mir ein Rätsel. Trotzdem gute Nacht!«, sagt sie und verschwindet in ihrem Zimmer. Als die Tür hinter ihr zufällt, kommt der Schmerz zu mir zurück, er hüllt mich ein wie eine dunkle Decke und ich verkrieche mich in mein Bett. Jetzt hindert mich nichts und niemand mehr, an ihn zu denken, und dann kommen die Tränen, sie rinnen unaufhaltsam auf mein Kopfkissen, bis es ganz nass ist, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als endlich einzuschlafen und wenigstens etwas Schönes zu träumen.

9. Kapitel
    S chon seit Stunden wälze ich mich auf meinem Bett herum, döse ein und wache dann plötzlich wieder auf, weil ich das Gefühl habe, dass jemand in meinem Zimmer steht. Vom vielen Weinen bin ich ganz erschöpft, aber der Schlaf will sich einfach nicht richtig einstellen. Immer wieder sehe ich Kai vor mir, wie er mich aus der Wohnung wirft, Brigitte, wie sie mir rät, mich nicht mit verheirateten Männern einzulassen, Bernadette, die nichts Böses ahnt, und Nico, der mir im Treppenhaus irgendwie hilflos zuwinkt. Das Ticken des Weckers hallt durch das dunkle Zimmer. Warum werden Geräusche nachts eigentlich immer so laut? Ich knipse mein Nachtlicht an, stehe auf, tigere unruhig durch mein Zimmer, öffne die Tür und lausche. Bei Bernadette ist alles still. Langsam gehe ich zurück zu meinem Bett, aber am Sofa mache ich halt. Meine Tasche liegt dort, wo ich sie gestern Abend hingeworfen habe, ich habe es nicht mehr über mich gebracht, sie auszupacken. Zögernd greife ich jetzt nach ihr und krame mein Handy hervor. Das Display ist schwarz und

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