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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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leer. Bleib stark, Lissie, beschwöre ich mich. Du musst Kai ein für alle Mal aus deinem Leben löschen. Vielleicht liegt es daran, dass es schon so spät ist oder dass ich einfach nur zermürbt bin. Aber ich schaffe es einfach nicht. Mein Finger zuckt vor. Ich muss wissen, ob er angerufen hat, ob er sich entschuldigt hat. Vielleicht sagt er, dass er ohne mich nicht leben kann oder dass wir zusammen ins Ausland gehen...
    Hektisch drücke ich auf den Knopf. Das Handy erwacht unendlich langsam zum Leben. Nachdem ich meine Geheimzahl eingetippt habe, erscheint auf dem Display ein blinkendes Symbol. »Sie haben eine Nachricht auf Ihrer Mailbox«, lese ich. Mein Herz beginnt zu rasen, ich wähle meine Mailboxnummer und habe wieder nur eine Computerstimme am Ohr, die verkündet, dass ich eine neue Nachricht habe. »Mach schon«, murmele ich ungeduldig. Doch statt einer Stimme höre ich erst einmal nur ein Rauschen. Es kracht komisch, jemand stöhnt, dann ertönt tatsächlich eine Stimme, aber ich erkenne Kai kaum und ich muss mir die Nachricht noch einmal wiederholen lassen. ». . . hasst dich . . .«, verstehe ich. Und dann ein geflüstertes »Hilf mir!«. Es knarzt merkwürdig, danach nichts mehr. Mein Herz klopft, als wäre ich gerade vom Keller die vier Stockwerke hochgerannt. Schwitzend drücke ich auf die Wiederholen-Taste und ein drittes Mal höre ich seine Stimme, diesmal bin ich mir sicher, dass er es ist. »Hilf mir!« Oh Gott! Warum habe ich bloß mein Handy abgeschaltet? Was ist denn passiert? Was kann, was soll ich jetzt machen? Ich rufe seine Handynummer an, auch auf die Gefahr hin, dass es neben seinem Bett zwei Stockwerke unter mir auf dem Nachttisch klingelt, aber ich muss wissen, was geschehen ist. Ich tippe seine Nummer, ich habe sie nie programmiert, weil ich Angst hatte, Bernadette könnte mein Handy benutzen und es sehen. Meine Finger zittern derart, dass ich mich zweimal verwähle. Endlich. »The person you’ve called is not available at the moment.«
    Aber das gibt es nicht. Genau wie bei mir schaltet sich bei ihm immer die Mailbox ein, selbst wenn der Akku leer ist. Was geht da vor sich? An Schlaf ist nicht mehr zu denken, also schleiche ich nach draußen und setze mich auf die Dachterrasse. Obwohl wir hier mitten in der Stadt sind, kann ich Sterne sehen, doch heute haben sie keine beruhigende Wirkung auf mich, sondern verstärken nur meine Hilflosigkeit, machen mich noch kleiner und einsamer. »Hilf mir!« Was kann er gemeint haben? Es ist so still, dass ich mich atmen hören kann. Noch zwitschern keine Vögel und nur sehr selten fährt ein Auto auf dem Bavariaring vorbei. Aber es dämmert schon. Das Zuschlagen einer Autotür zerreißt die Stille, ich beuge mich über die Blumenkästen in der Hoffnung, dass es Kai sein könnte, der von einer Wohltätigkeitsparty mit Brigitte spät nach Hause kommt. Aber es ist nur Violetta, die sich mit dem Mann im Auto zu streiten scheint. Ich setze mich wieder hin, rufe noch einmal seine Nummer an, aber immer die gleiche Antwort. Als ich das fünfte Mal wähle, kommt mir plötzlich ein Gedanke. Was, wenn er es absichtlich getan hat? Wenn er einfach sichergehen will, dass ich ihn auf keinen Fall erreichen kann? Wenn er den Spieß einfach umgedreht hat? Aber warum dann dieses »Hilf mir!«? Oder hat er sich nur schrecklich betrunken und es war ein lallender Anruf im Vollrausch? Die Stimme klingt jedenfalls ein bisschen danach. Ich checke noch einmal mein Handy. Er hat um kurz nach halb fünf auf die Mailbox gesprochen, keine halbe Stunde, nachdem ich weg war. So schnell kann man sich doch nich t betrinken, oder ? Das Blinken der Sterne verblasst langsam und es wird imme r heller . Nur mein Leben wird immer dunkler .
    Ich zucke zusammen, als eine Hand sich sanft auf mein e Schulter legt. Mein Rücken ist völlig verspannt, das Sonnenlicht schmerzt in den Augen . »Seit wann schläfst du denn hier draußen?«, fragt Bernadett e neugierig. Gleichzeitig schwingt ein leicht beleidigter Unterton mit. »Tolle Aktion, aber glaubst du nicht, dass es mit mi r zusammen mehr Spaß gemacht hätte? « Sie reicht mir einen Becher Kaffee. Dankbar nehme ich ei n paar Schlucke, doch dann kehrt alles wieder zurück, was i n der Nacht passiert ist, und das Schlucken fällt mir schwer . »Hilf mir!«, hat er gesagt, dann nichts mehr . Es klingelt an unserer Haustür . »Wer ist das denn um diese Zeit?« Bernadette rennt zur Tür , schaut durch den Spion. »Ach, hallo Mama! « Ich

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