Prinzentod
zusammenhanglos. Ich bekomme noch einen Sonnenstich . Dieses Kichern von vorhin steigt wieder in mir hoch, schril l und fordernd, ich schluchze laut auf . Eine alte Frau kommt mit ihrem Einkaufswägelchen an mi r vorbei. Mitleidig schaut sie zu mir. »Kann ich Ihnen helfen, Kindchen«, fragt sie besorgt. Ich schüttele den Kopf, aber ich muss so weinen, dass sie nicht weitergeht, und da weiß ich, dass ich mich wenigstens für einen Moment zusammennehmen muss, ich muss damit aufhören, ich muss von diesem Asphalt aufstehen, ich muss mich in Bewegung setzen.
»Wozu hat man das Leben, wenn nicht, um zu leben?«
Bei unserem ersten Treffen hat er es gesagt. Und jetzt, elf Tage später, ist er tot.
Zweiter Tei l
13. Kapitel
H eute weiß ich nicht, wie ich damals die Kraft gefunden habe weiterzumachen. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, denn der ganze Nachmittag nach Kais Tod ist in meiner Erinnerung wie im Nebel, ich habe funktioniert, ohne zu denken, und dabei genau das Falsche getan, denn spätestens jetzt hätte ich wissen können, dass Kai nicht durch einen Unfall gestorben war. Aber damals war ich blind, geschockt und wollte allem aus dem Weg gehen. Kai war tot und niemand sollte mehr verletzt werden. Ich hatte genug Schuld auf mich geladen, ich wollte nicht noch mehr kaputt machen. Deshalb dachte ich, mein Plan wäre gut, würde uns alle schützen, aber mein Plan schützte nur einen einzigen Menschen. Kais Mörder. Aber das war mir in dem Zustand, in dem ich mich befand, nicht klar und deshalb rief ich nicht die Polizei an, sondern Kais Freund, den Wohnungsbesitzer. Mir war der Name vom Türschild eingefallen, Tim Steinkuller. Von Kai wusste ich, dass er in Wuppertal lebte, und so war es einfach, ihn durch die Auskunft ausfindig zu machen. Seine Frau hob ab und ich erzählte ihr in gebrochenem Deutsch etwas von Stromausfall in den Wohnungen im oberen Stockwerk und dass der Hausmeister nicht zu erreichen sei. Sie reagierte prompt, murmelte etwas von diesem verdamm ten Haus in München, das nur Ärger mache, aber sie stellte keine Fragen, sondern versprach, die Hausverwaltung zu informieren. Nachdem ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich endlich in der Lage zu überlegen, wo ich jetzt hinsollte, obwohl ich im Grund meines Herzens wusste, dass ich keine andere Wahl hatte, als nach Hause zu gehen. Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen bin und ob ich auf dem Weg dorthin jemanden getroffen habe. Ich erinnere mich nicht, ob Bernadette in der Wohnung war, ob wir gesprochen haben oder ob ich einfach nur wortlos in mein Zimmer gerannt bin. Ich erinnere mich nur daran, wie ich vollständig angekleidet auf meinem Bett lag und Bernadette mich wach rüttelte.
»Lissie, wach endlich auf. Die Polizei hat Kai gefunden!« »Was?« Ich reibe meine Augen und muss gähnen. Es kommt mir so vor, als hätte Bernadette mich aus einer anderen Welt geholt. Doch dann stürze ich hinein in die grausame, schreckliche Wirklichkeit. »Kai ist tot.« Sie setzt sich auf die Bettkante, steht aber sofort wieder auf und wandert nervös im Zimmer auf und ab. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich war davon überzeugt, dass er einfach nur abgehauen ist.« Sie sieht ganz blass aus. »Ich muss runter, zu Mama. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ihr gehen muss. Zwei Männer durch einen Unfall verloren. Bitte Lissie, kommst du auch mit?« Ich kann nicht antworten, aber Bernadette ist schon fast draußen. »Bitte«, sagt sie noch einmal flehend. Dann ist sie verschwunden. Als ich die Wohnungstür ins Schloss fallen höre, merke ich, dass ich die Luft angehalten habe. Es fällt mir schwer zu at men, obwohl für einen kurzen Moment eine tonnenschwer e Last von mir abfällt. Sie haben ihn gefunden und die Polize i kümmert sich jetzt um die Sache . Nun werden sie aufklären, was passiert ist – das ist ihr Job , sie wissen, was zu tun ist. Sie werden herausbekommen, wa s in der Wohnung geschehen ist, und selbst wenn das heißt , dass sie dabei auf mich stoßen, ist mir das egal. Vielleich t wäre es sogar eine Erleichterung, wenn endlich alles herauskäme und ich wieder ehrlich sein könnte . Ach ja, Lissie, und dann? Kai hat dich angerufen, vielleich t warst du seine letzte Hoffnung . Mein Schuldgefühl kehrt mit solcher Macht zurück, dass ic h fast laut aufgestöhnt hätte . Papa, schießt es mir durch den Kopf. Bitte, lieber Gott, mach , dass er zurückgerufen hat ! Ich sehe auf meinem Nachttisch nach, tatsächlich liegt d
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