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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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a mein Handy, es zeigt die Uhrzeit, 7 Uhr 30 morgens. Doc h leider ist keine neue Nachricht eingegangen . Mit einem Schluchzen lasse ich mich wieder zurücksinke n und versuche verzweifelt, den Gedanken zu verdrängen , dass man Kai hätte retten können, wenn ich mein Hand y gestern nicht abgestellt hätte . Ich erinnere mich, wie wir einmal im Unterricht über Schul d diskutiert haben. Damals ging es um einen Fall aus der Zeitung . Eine junge Frau war auf dem Weg zu einer Party überfahre n worden, weil ein Autofahrer nicht rechtzeitig gesehen hatte , wie sie hinter einem geparkten Auto hervorkam . War der Autofahrer schuld, der zufällig zur falschen Zeit a m falschen Ort war ? Oder vielleicht der Halter des parkenden Wagens, der de m Autofahrer die Sicht versperrte, sodass er die junge Fra u nicht rechtzeitig sehen konnte ?
    Oder war letztendlich sie selbst schuld, weil sie es zu eilig hatte? Nein, sie waren alle nicht schuld, zu diesem Schluss sind wir damals in dem Kurs gekommen. Es war Zufall. Oder Schicksal. Wie man es eben nennen will. Doch bei mir liegt die Sache anders. Denn unsere Liebe war verboten. Nur wegen uns war er in der Wohnung, in dieser rutschigen Badewanne, das hatte nichts mit Zufall zu tun, sondern mit Entscheidung. Aber ist Liebe nicht auch so etwas wie Schicksal? An diesem Punkt rappele ich mich auf und schleppe mich ins Badezimmer. Denn ich werde noch viel mehr Schuld auf mich laden, wenn ich mich feige in meinem Zimmer verstecke, während Familie Keilmann wegen mir dort unten Schreckliches durchmacht. Wenigstens davor werde ich mich nicht drücken. Als ich im Bad meine verhedderte dunkle Mähne kämme, dann zu ordentlichen Zöpfen flechte und ein paar widerspenstige Strähnen mit Haarnadeln zurückstecke, erinnere ich mich plötzlich, wie Kai hinter mir gestanden hat, als ich mir neulich die gleiche Frisur gemacht habe. Seine grünen Augen haben geleuchtet, als er mich aufgezogen hat mit dieser Heidifrisur. Dabei hat er gegrinst und seine Arme um meine Taille gelegt. In diesem Moment schlägt die Trauer über mir zusammen wie eine Riesenwelle und plötzlich habe ich das Gefühl, dass ich jetzt erst richtig erfasse, was passiert ist. Er ist tot. Kai hätte nicht sterben dürfen! Nicht so, viel zu früh. Ich weiß nicht, wie lange ich dort im Bad stehe und schluchze, aber irgendwann kommt mir wieder in den Sinn, worum Bernadette mich gebeten hat, und ich nehme mich zusammen.
    Eilig wasche ich mein verheultes Gesicht, befestige die letzte Spange und hole ein neues T-Shirt aus dem Schrank. Diesmal nehme ich ein schlichtes weißes. Oder wäre angesichts von Kais Tod ein schwarzes besser? Ich glaube, ihm wäre es egal. Ich erinnere mich, einmal hat er mir gesagt, er würde nicht daran glauben, dass es ein Jenseits gäbe. Dann hat er mich angelächelt, um die plötzlich ganz ernste Stimmung wieder zu entschärfen, und mit einem Schulterzucken gemeint, dass das auch gut so sei, denn sonst würde er sicher in der Hölle landen. Hölle? Während ich nach unten gehe, frage ich mich, was passieren würde, wenn ich jetzt vor sie hintreten und alles erklären würde. Auf mein Klingeln hin öffnet Violetta und betrachtet mich von oben bis unten. Dann dreht sie sich wortlos um und geht vor mir her ins Esszimmer, wo sich alle versammelt haben. Ich folge ihr unsicher. Warum sagt sie nichts? Ist das der Schock? Aber sie hat Kai doch gehasst? Mir fällt ein, wie sie Bernadette an den Kopf geworfen hat, was für eine falsche Schlange ich sei. Das Esszimmer der Keilmanns ist riesig und mit mächtigen dunklen Eichenmöbeln eingerichtet. Während der wenigen Male, die ich hier war, fühlte ich mich jedes Mal eingeschüchtert. Diesmal ist es noch schlimmer. Rund um den großen ovalen Holztisch sitzen Brigitte, Nico und Bernadette auf den rot gepolsterten Eichenstühlen. Auch Vio lässt sich jetzt auf einen der Stühle fallen. Keiner von ihnen hebt den Blick, als ich näher komme. Das bringt mich noch mehr aus dem Konzept, ich fühle mich, als wäre ich vor dem Richtertisch und müsste etwas zu meiner Verteidigung hervorbringen. »Es tut mir sehr leid. Kai war noch so jung!« Ich stottere mehr, als dass ich rede. Ich habe noch nie jemandem mein Beileid aussprechen müssen. Papa, denke ich, warum meldest du dich nicht, bitte, bitte hol mich hier raus! Ich werfe Bernadette einen Hilfe suchenden Blick zu, doch die starrt auf die Tischplatte, wahrscheinlich ist sie sauer, dass ich jetzt erst komme. Mein Blick wandert

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