Prinzentod
welche Drohungen mir geschickt worden sind , denn irgendetwas ist hier oberfaul . »Lissie, bist du da?«, ruft Bernadette in die Wohnung. Ich höre, wie ihre Schritte vor meiner Tür verharren . »Warum hast du denn kein Licht angemacht? « Sie öffnet die Tür und schaltet das Deckenlicht an . Mist, und ich trage noch Kais Kimono. Ich setze mich automatisch auf . »Wie geht’s dir denn jetzt?«, fragt sie und mustert den Kimono. »Ist der neu? « Ich weiß nicht, was ich sagen soll . »Mama hat Kai mal so was aus Seide gekauft. Zu Weihnachten. Kai war verrückt auf Seide. « Ich möchte Bernadette so gern sagen, dass ich Kai geliebt habe. Sie ist meine Freundin und ich brauche sie. Ich umklammere die Taschen rechts und links, straffe meine Schultern , räuspere mich . Bernadette kommt interessiert näher. »Das Ding sieht soga r original aus wie der von Kai. Mama hatte auf den rechte n Ärmel seine Initialen sticken lassen. « Ich vergrabe meine Hände noch tiefer in den Taschen, hoffe , dass die Ärmel so unsichtbar bleiben . Bernadette zuckt mit den Schultern. »Na, jetzt braucht er ih n ja nicht mehr. « Wie kann sie das so leichthin sagen, so, als wäre er nur ver reist? Plötzlich werde ich wütend. Warum sollte ich reinen Tisch machen, wenn doch niemand um ihn trauert? »Ich wollte nur mal schauen, was mit dir los ist.« »Ich bin okay, keine Sorge. Mir ist nur ein bisschen übel. Muss der Kreislauf sein.« »Melde dich, wenn du was brauchst. Ich muss wieder runter zu Mama, sie ist völlig am Ende.« Das Zuschlagen der Wohnungstür lässt mich erleichtert durchatmen. Ich nehme meine Hände aus der Kimonotasche und merke erst jetzt, dass ich mit beiden Händen etwas umklammert habe, das in den Taschen war. Links einen Zettel und in der rechten Tasche ist ein komisches Teil, es sieht aus wie eine Art Schwangerschaftstest. Ist Brigitte am Ende schwanger? Oh Gott, wenn es Brigitte war, die uns beobachtet hat, ist sie vielleicht ausgerastet und hat ihn geschubst. Aber wie ist der Test in seine Tasche gekommen? Ich sehe mir das genauer an, es gibt ein Indikatorfeld, aber keine blauen Striche. Und jetzt erst sehe ich, dass in winzigen Buchstaben »Drug-Check« darauf gedruckt steht. Drogen? Was hat ein Drogentest in Kais Kimono zu suchen? Hat er selbst welche genommen? Nein, das kann ich nicht glauben, das hätte ich gemerkt. Und für sich selbst würde er ja wohl kaum einen Test brauchen. Hektisch wühle ich in den Taschen, vielleicht ist das noch nicht alles, was er eingesteckt hat, und tatsächlich ziehe ich einen zerknitterten Zettel hervor. Als ich das Papier glätte, sehe ich, dass es keine Gebrauchsanweisung zu dem Test ist, wie ich gehofft habe, sondern nur die drei Wochen alte Quittung über ein Buch. Ein Fachbuch, den Titel kann man kaum lesen, weil der Bon so zerknitter t ist, irgendetwas mit polar und Störung . Polar klingt nach Eis. Störungen im Eis? Vielleicht geht es d a um den Klimawandel, Kai hat sich genau wie Brigitte in verschiedenen Umweltorganisationen engagiert . Aber das hilft mir mit diesem Drogending nicht weiter . Ich lehne mich an die Rückwand meines Bettes und versuch e mir zum ungefähr fünfzigsten Mal an diesem Tag darübe r klar zu werden, was passiert ist : Erstens: Jemand war nach Kais Tod in der Wohnung. Das is t sicher, sonst hätte ich den Schlüssel nicht gefunden . Jemand hat Kai und mich beobachtet, hat Fotos von uns gemacht und später, nach Kais Tod, dessen Handy verschwinden lassen . Bedeutet das, dieser Jemand hat auch etwas mit Kais Tod zu tun ? Stop, Lissie. Du musst dich an die Fakten halten . Also zurück zum Handy. Warum lässt man so etwas mitgehen? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Es war etwas Verräterisches im Handy gespeichert . Weiter . Jemand hat mir das rosa T-Shirt untergeschoben und jemand hat mir die Fotos per Mail geschickt . Jemand hasst mich, genau wie Kai es am Telefon gesagt hat . Versucht, mir Angst zu machen . Ich gehe sie in Gedanken durch . Da ist so viel Feindschaft im Spiel. Mir fallen die Kleinigkeiten ein, Bemerkungen, die sie mir gegenüber gemacht haben , sogar Brigitte, die als Einzige in diesem Haus Kai geliebt hat . Davon bin ich zumindest bis jetzt immer ausgegangen . Aber wieso ist sie dann so unheimlich gelassen? Man könnt e denken, sie trauert gar nicht richtig, während sie bei seine m bloßen Verschwinden fast hysterisch geworden ist .
Und wer wäre wohl am meisten getroffen, wenn er herausbekommen hätte, dass Kai eine
Weitere Kostenlose Bücher