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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Bernadette.« Ich umarme sie. »Wie geht es dir?« »Ganz okay.« Sie zuckt mit den Schultern. »Tut mir leid wegen gestern«, sage ich verlegen. »Ich wollte dich nicht allein mit all dem Kummer lassen.« »Schon gut.« Sie winkt ab. »So schlimm war es auch wieder nicht.« Sie seufzt. »Auch wenn ich nie gedacht hätte, dass das Ganze in solchen Stress ausarten könnte. Ständig klingelt das Telefon, irgendwelche Journalisten wollen ein Interview. Und dann die Trauerkarten, die Einladungen und, und, und.« Sie schüttelt sich. »Mama ist die ganze Zeit auf den Beinen, sie organisiert das Ganze wie ein Profi. Ich glaube, es tut ihr gut, wenn sie sich ein bisschen ablenkt.« Ich nicke. »Ich fand es gestern schon erstaunlich, wie sie sich hält«, sage ich. Bernadette stimmt mir zu. »Heute Morgen waren wir zusammen beim Beerdigungsinstitut, einen Sarg aussuchen und Blumen und so was alles. Komisch, dass man für eine Einäscherung auch einen Sarg braucht, findest du nicht?« Kai wird verbrannt werden! Eine schreckliche Vorstellung. Und, flüstert eine kleine Stimme in meinem Kopf, das Feuer wird alle Spuren, falls es denn welche gegeben hat, vernichten. Oh Mann, gerade eben habe ich mir doch klargemacht, dass es wirklich ein Unfall gewesen sein muss. Bernadettes Blick fällt auf mein Rad. »Was für eine traurige Ruine ist das denn?«, fragt sie entsetzt. »Wenn du willst, reparier ich es dir.« Sie blickt sich schuldbewusst zum Haus um. »Ehrlich gesagt bin ich heilfroh, mal ein paar Minuten rauszukommen. Soll sich Nico doch um das Telefon kümmern.« »Das würdest du tun?«, antworte ich, aber meine Gedanken kreisen um etwas ganz anderes. Verbrannt. Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Asche. Bernadette greift nach dem Rad, stellt es auf den Kopf und betrachtet es fachmännisch. »Hol mal den Werkzeugkasten, dann ist das schnell erledigt, ja?« Sie zieht einen Haargummi aus ihren Shorts und bindet ihre strähnigen Haare zurück. Ich nicke, gehe in den uralten, feuchten Gewölbekeller und suche nach dem Werkzeugkasten. Er sieht in dem staubigen, mit Spinnweben übersäten Keller merkwürdig sauber und glänzend aus. Gerade als ich ihn hinaufbringen will, begegne ich Vio. Im Gegensatz zu Nico und Bernadette, denen zumindest die Sorge um ihre Mutter an die Nieren zu gehen scheint, sieht sie richtiggehend vergnügt aus. Ihre Augen glänzen und ihr auberginefarbenes Flatterkleid umschwebt sie wie eine Art Aura. Als sie mich sieht, lässt sie flugs etwas in ihrem Ausschnitt verschwinden. »Na, kleine Unschuld. Was führt dich denn in den Keller? Hast du keine Angst vorm schwarzen Mann?« »Eher vor Spinnen wie dir«, rutscht es mir raus. Vio bleibt interessiert stehen und mustert mich.
    »Sieh an, sieh an, die kleine Verführerin kann ja doch reden.« Mir reicht es jetzt. »Was willst du damit sagen?« Vio zuckt lässig ihre Schultern, winkt ab und drängt sich an mir vorbei. Als ich aus dem Keller komme, blendet mich das Sonnenlicht, sodass ich beinahe in Brigitte hineinrenne, die gerade in den Garten tritt. »Entschuldigung!«, stammele ich, »tut mir leid.« »Macht nichts, Lissie. Bist du okay?«, fragt sie und setzt gleich noch hinzu: »Was glaubst du denn, welche Musik Kai gerne auf seiner Beerdigung hören würde?« Ich werde flammend rot und starre die Fußzehen in meinen Flipflops an, aber Brigitte scheint gar keine Antwort zu erwarten. »Wir werden ihn schon morgen beerdigen, im ganz kleinen Kreis«, sagt sie. »Ich hoffe, dass die Journalisten nicht so schnell Wind davon bekommen wie bei Paul damals. Noch mal schaff ich das nicht. Sonnenblumen hab ich ihm ausgesucht, die hat er gemocht.« Sie schaut zu den Beeten hinüber und gibt mir die Gelegenheit, sie aus den Augenwinkeln zu beobachten. Auch wenn Bernadette erzählt hat, wie tapfer ihre Mutter ist, sieht Brigitte doch ziemlich erschöpft aus. Ihre Kleider sind zerknittert und sie trägt kein Make-up. Für einen Moment noch bleibt sie stehen und betrachtet ihre Tochter, die an meinem Fahrrad herumfuhrwerkt, dann dreht sie sich um und schlurft zurück ins Haus. Nico kommt ihr entgegen und bietet ihr seinen Arm, den sie auch annimmt. Doch sie schmiegt sich nicht an ihn, sondern bleibt seltsam für sich. Zusammen schleichen sie die Treppen nach oben und Brigitte wirkt nicht mehr dynamisch und beherrscht, sondern nur sehr dünn und sehr müde. Ich weiß nicht, warum mir in genau diesem Augenblick Nicos Worte wieder einfallen. »Erst mein Vater, jetzt

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