Prinzentod
hole. Die Polizei ist gerade gekommen, sie sprechen mit Mama, danach müssen wir mit ihr zusammen zum Beerdigungsinstitut.« Ich beruhige mich langsam wieder. Nico hat tatsächlich Bernadettes Jacke in den Händen und er sieht nicht gerade so aus, als wolle er mich jeden Moment bedrohen. Andererseits : Was will das schon heißen ? »Beerdigung?«, frage ich nach. »Aber Kais Leiche . . .«, ic h schlucke, »ist doch noch im Leichenschauhaus. « »Deswegen ist die Polizei gekommen. Die Autopsie ist abgeschlossen. « Ich starre ihn an. »So schnell? « »Mama hat eben gute Connections. Wir sind schließlich di e Keilmanns, da lässt man eine Leiche nicht lange rumliegen . Das kommt in den Klatschspalten nicht so gut. « »Und was haben sie herausgefunden? « Nico zuckt mit den Schultern. »Was sie schon vermutet haben. Es war ein Unfall, man konnte keinerlei Fremdeinwirkungen feststellen. Er muss gestürzt und wenige Minute n nach dem Aufprall gestorben sein.« Seine schwarzen Auge n füllen sich mit Tränen. »Mama tut mir so leid. Erst das mi t meinem Vater. Und jetzt Kai. Wie kann man nur so viel Pec h haben? « Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, gehe spontan nähe r auf ihn zu und lege meine Hand auf seinen Arm . Er schüttelt mich ab, wischt mit seinem Handrücken über di e Augen und läuft zur Tür. Doch dort dreht er sich noch einma l um und sagt: »Ich finde, Kai sollte jetzt in Frieden ruhen , meinst du nicht auch? « Was will er mir damit sagen? Und warum starrt er mich s o an ? »Mama hat genug durchgemacht.« Er greift nach der Klinke . Ich hole tief Luft. »Warum hast du mir nie von Kai erzählt , als wir zusammen waren?«, frage ich. »Warum waren wir ni e in diesem Haus, in deinem Zimmer? « Er drückt die Klinke nach unten und öffnet die Tür. »Kai wa r nicht wichtig, noch nie. Du schon. Aber das ist ja vorbei. «
Leise fällt die Tür ins Schloss. Ich stehe da und starre blicklos vor mich hin. In meinem Kopf ist alles durcheinander, wie ein riesiges Puzzle, bei dem jemand die Teile kaputt gemacht hat, nichts passt zusammen. War das, was Nico zu mir gesagt hat, eine Warnung? Hat er sich gestern vielleicht in unsere Wohnung geschlichen? Oder verdächtige ich nur jeden, die Unwahrheit zu sagen, weil ich selbst so viel lüge?
16. Kapitel
I ch tue es nicht. Obwohl ich es mir so fest vorgenommen habe, gehe ich nicht ins Polizeirevier. Die Polizei hat Kais Leiche zur Beerdigung freigegeben und das bedeutet, er ist an einem Unfall gestorben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die einen Fehler machen und einen Mord einfach übersehen. Und wie würde ich dastehen, ich, Lissie Bernardi, wenn ich aufs Revier komme und nichts anderes zu erzählen habe, als dass ich die heimliche Geliebte von Kai war und mein Verdacht sich darauf stützt, dass ich hässliche Bilder bekomme und sein Handy verschwunden ist? Warum sollten die mir glauben und vor allem: Was würde das an seiner Todesursache ändern? Nichts. Mein Auftritt würde nur viele Menschen verletzen und nur die Klatschblätter interessieren. Die allerdings sehr! Wäre das fair von mir, meine Freundin und deren Mutter derart der Lächerlichkeit preiszugeben? Dass mir jemand Angst einjagen will, heißt doch nur, dass Kai und ich heimlich beobachtet worden sind. Aber noch lange nicht, dass Kai ermordet worden ist. Davon versuche ich mich jedenfalls zu überzeugen, als ich mich am Nachmittag in der noch immer unglaublich heißen Luft nach Hause quäle. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so schwer sein kann, die »richtige« Entscheidung zu treffen. Früher war für mich alles immer so einfach. Da war eins und eins zwei. Aber jetzt stelle ich fest, dass zwei auch drei weniger eins ist oder vier weniger zwei. Mein Kopf ist so voll, bei der Mathearbeit heute haben mich die Zahlen angestarrt wie kryptische Hieroglyphen.
Der ganze Tag hat sich unendlich lange hingeschleppt, vor allem, weil ich so dringend jemanden zum Reden gebraucht hätte und Tabea gar nicht da war. Zur Krönung des Ganzen musste ich dann auch noch die inzwischen angetrocknete Leberwurst von meinem Rad abkratzen. Inzwischen bin ich fest davon überzeugt, dass es nicht irgendwelche Idioten aus der Schule waren, die meinen Bremsschlauch zerschnitten haben, aber ich habe keine Ahnung, wer dahintersteckt. Ich schiebe das ramponierte Rad gerade in den Vorgarten, als Bernadette aus der Haustür kommt. Sie sieht müde aus, ihre blonden Haare müssten dringend gewaschen werden. »Hey
Weitere Kostenlose Bücher