Prinzentod
mich wochenlang ignoriert. Aber dann hast du etwas davon gesagt, dass es sich mal zum Guten, mal zum Schlechten wendet.« Er nickt. »Stimmt, jetzt weiß ich es wieder«, sagt er. Er sieht auf den Boden. »Das war der Tag, an dem ich Jenny zum ersten Mal ins Sprachlabor mitgenommen habe. Eigentlich wollte ich sie dort küssen, aber irgendwie kam es nicht dazu. Oder erinnere ich mich nur nicht? Aber ich weiß, dass ich mich über Bernadette geärgert habe, weil sie einfach meine Vespa genommen hat, ohne mich zu fragen, und ich mit der U-Bahn fahren musste.« Er schaut hoch. »Im Westend war ich nicht, das zumindest weiß ich sicher.« »Aber was sollten deine kryptischen Bemerkungen, von wegen Schlussmachen?« Nico zuckt mit den Schultern. Er sieht verlegen aus. »Das war nicht so kryptisch. Lissie, ich habe dich geliebt und du hast einfach Schluss gemacht. Ich wollte...naja, ich wollte dir eben zeigen, dass ich auch ohne dich klarkomme. Dass ich eine andere gefunden habe.« Jetzt bin ich es, die sich auf die Lippe beißt. »Aber warum hast du dann eine Kamera in meinem Zimmer installiert? Warum?« »Oh Mann, ich versteh es selbst nicht. Bernadette hat mir ge holfen. Sie hat gemeint, es wäre doch lustig, die Kontroll e über dich zu haben.« Er wird wieder rot. »Und fies wäre e s auch nicht, denn ich würde dich ja schließlich lieben. Und al s ich einmal damit angefangen hatte, da hat es sich verselbstständigt. Weißt du, es macht Spaß, jemanden zu beobachten , es ist besser als Fernsehen, man fühlt sich so mächtig. « Bernadette . Bernadette, meine Freundin. Findet das lustig. Hat vom Großvater die Technikbegabung geerbt. Sticht Nadeln in Puppen . Löscht meine Anrufe. Hat sich Nicos Vespa ausgeliehen . »Was war mit Kais Stimme auf dem Friedhof? Und dem Blu t in der Waschmaschine? « Nico starrt mich verstört an. »Was meinst du? « Der Pfleger kommt herein . »Nico darf sich noch nicht so lange anstrengen«, sagt er . »Einen Moment noch.« Ich möchte etwas gutmachen un d frage: »Nico, kannst du mal herkommen? « Er schaut mich erstaunt an, dann den Pfleger, der ihm zunickt . Zögernd nähert er sich mir, als wäre ich ein Alien . Ich strecke meine Arme nach ihm aus, aufstehen kann ic h noch nicht, er beugt sich runter zu mir und ich umarme ihn . »Nico«, flüstere ich. »Es tut mir so leid. Ich wünschte, das alles wäre nie passiert. Ich wünsche dir, dass du wieder gan z gesund wirst. Ich werde dir schreiben, wenn ich darf? « Seine Umarmung ist ungelenk, so als hätte er das noch ni e getan, und doch kommt sie mir vertraut vor. Schnell richte t er sich wieder auf und lächelt mich an. »Shit happens«, sag t er mit rauer Stimme, »hast du nicht so ein Shirt? « Ich grinse zurück. »Wir sehen uns«, antworte ich, weil ic h hoffe, dass er nie erfahren wird, was seine Schwester ihm angetan hat. Ich bitte den Pfleger, mich zurückzubringen . Papa freut sich, als wäre ich gerade vom Tod auferstande n und nicht nur zehn Minuten weg gewesen. Er schiebt mich zurück und sagt, dass ich einen ganz besonderen Besuch habe, der mich aufmuntern wird. Er strahlt so, dass es nicht Brigitte sein kann, die er ungerechterweise für alles verantwortlich macht. Plötzlich kommt mir eine dunkle Ahnung. »Etwa Bernadette?« Er nickt. Meine Hände umklammern den Rollstuhl. »Papa lass mich nur kurz mit ihr allein. Du musst unbedingt nach fünf Minuten wieder zurückkommen, ja?«, bitte ich ihn, kurz bevor wir mein Zimmer erreichen. Bernadette lächelt strahlend. »Wie geht’s dir?«, fragt sie und wirft ihre Rapunzelhaare nach hinten, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen. »Gut. Ich war gerade bei Nico.« Sofort schaltet sie ihr Lachen ab und lässt ihre Mundwinkel hängen. »Der Arme. Den werden sie sicher sehr lange hier drin behalten. Weißt du, Drogen verstärken Manien. Manchmal entstehen so auch Psychosen und die sind oft sogar irreversibel.« Sie lächelt Papa jetzt mit neuer Energie an und mir läuft es kalt den Rücken runter. Ich sehe deutlich vor mir, wie Bernadette ihrem weinenden Bruder etwas zu trinken aufdrängt. Und plötzlich weiß ich auch, wer das Zeug aus der Diddlmaus genommen hat. »Ich hole uns Milchkaffee aus der Cafeteria. Willst du auch einen, Bernadette?«, fragt Papa und zwinkert mir zu. Sie nickt zustimmend, Papa geht und wir bleiben allein. »Hast du Kai getötet?« Bernadette schüttelt ihre Mähne. »Lissie«, sagt sie milde. »Dein Kopf hat ganz schön was abbekommen ...Naja,
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