Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Toilette. Einer der Robolde schloss sie auf. Hektisch flackerte eine Lampe an und vertrieb jede Dunkelheit aus dem winzigen Raum. Anfangs hatte Skaia noch gehofft, sie könne vielleicht entkommen, wenn sie erst einmal aus ihrer fahlen Kammer heraus war. Aber als sie auf dem Klodeckel saß, musste sie zugeben, dass sie nicht nachgedacht hatte. Natürlich umgaben sie die Mauern hier noch enger, noch bedrückender. Ein Fenster gab es nicht. In der Decke waren nur ein paar Schlitze, die Frischluft hereinließen. Nach ein paar Minuten rauschte unter ihr die automatische Spülung, und sogleich spie der Hahn am benachbarten, blütenreinen Waschbecken Wasser aus. Perfekt! Wie alles in Solterra. Man musste sich nur noch einpassen in die Abläufe. Dann schritt das Leben schnurgerade voran. Ohne Verwicklungen. Ohne Knoten. Ohne Fallstricke. Aber Skaia gehörte zu denjenigen, die ständig stolperten. Über Katzen zum Beispiel. Kein Mensch in ganz Solterra stieß auf Katzen. „Weil es Katzen ja auch gar nicht gibt“, würde Klirr erklären. Ach, nur zu gerne hätte Skaia geglaubt, dass alles, angefangen bei der Katze, nur ein Traum gewesen wäre. Aber sie lag nicht zu Hause in ihrem weichen Bett, sondern saß auf einem harten Klodeckel in einer engen Toilette, in einem abgeschiedenen Gang irgendwo in der Burg. Ja, in der geheimnisvollen Burg, die so oft Skaias Neugier geweckt hatte. Aber solange sie in diesem öden Trakt eingesperrt war, hatte sie rein gar nichts davon.
Wo wohl die Katze geblieben war? Hinter keiner der Türen, an denen Skaia mit den Robolden vorbeigekommen war, hatte sie ein Fauchen, Kratzen oder Kreischen vernommen. Vielleicht war das Tier in ein Labor gebracht worden, wo man es mit allerlei Apparaten untersuchte? Vielleicht lag es unter riesigen Lupen, starrte auf spitze, medizinische Instrumente und lauschte mit schreckgeweiteten Augen den Beratungen der Forscher: „Können wir sie im Käfig halten, oder müssen wir sie ausstopfen?“
Es war nicht das Gongen der Stundenkugel, das Skaia aus ihren trüben Träumen riss, sondern die Tatsache, dass schwere Schlüssel gegen ihre Zellentür schlugen. Verschlafen rappelte sie sich aus den Decken hoch. Gab es Frühstück? „Bananenchips in Honigsoße“, wünschte sie sich, bevor sie sehen konnte, was auf dem Tablett tatsächlich hereingebracht werden würde. Aber von Bananen keine Spur. Nicht mal ein Tablett konnte sie entdecken, als die Wachrobolde in die Zelle traten.
„Du mitkommen!“, schnarrte der eine, und der andere fügte hinzu: „Guter Herrscher“.
„Ihr könnt ja doch reden.“ Skaia war baff. Nachdem sie am Tag zuvor in die Zelle gestoßen worden war, hatte sie ― außer sich vor Wut und Angst ― tausend Fragen durch die Tür geschrien. Auf keine einzige hatten die Wachen geantwortet. Als Skaia schließlich matt und heiser an der Tür lehnte, war sie sich sicher, dass man den beiden keinen Sprachchip eingebaut hatte. Doch sie hatte sich geirrt. Sicher, der Chip war nicht der leistungsfähigste, aber die beiden Blechdeppen schafften damit immerhin Zweiwortsätze.
„Was soll das heißen: ‚Guter Herrscher’?“, wollte Skaia wissen.
Der Robold gab keine Antwort.
Sein Kollege raunzte sie an: „Du aufstehen!“
Angenehm war das nicht mit den beiden. Folgsam schwang sie die Beine aus dem Bett und schlüpfte in ihre Schuhe. Den Rest ihrer Kleidung hatte sie gar nicht erst ausgezogen.
„Was ist nun mit dem Guten Herrscher?“, versuchte sie es noch einmal bei dem Robold, der vor ihr durch die langen Flure marschierte. Sein Kollege blieb dicht hinter ihr. Weglaufen konnte sie also nicht.
„Ist gut“, erklärte der Robold wenig erhellend.
Hinter Skaia schnarrte es: „Du sehen.“
Natürlich würde Skaia sehen, was passierte. Aber sie hätte es gerne vorher gewusst. Als Gesprächspartner waren die zwei doch unbrauchbar. Seufzend gab sie es auf, Fragen zu stellen. Wenn es nur nicht so schwierig gewesen wäre, sich alles selbst zusammenzureimen.
Nun gut, sie war einer Katze gefolgt. Einem Wesen, das als Botschafter des Bösen galt. Und sie war in das Gelände hinter der Mauer geraten, was für Solterraner offenbar tabu war. Obwohl nirgends ein „Betreten verboten!“-Schild hing! Dann wäre sie wenigstens gewarnt gewesen und hätte sich daran gehalten. Oder? Im Nachhinein war ihr klar, dass die Eingeweihten es nicht gutheißen konnten, wenn man sich mit den witzigen Figuren auf der Wiese vergnügte. Sie waren zu nichts
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