Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
kleines Töpfchen stand, „da sind deine Bohnen.“ Abscheu schwang in seiner Stimme, als er den Deckel hochhob und den Blick freigab auf das Gemüse, das Skaia nur zu gut kannte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ihr der Koch glaubte, dass sie keineswegs jeden Tag Bohnen serviert bekommen wollte. Schließlich nickte er und meinte: „Sischer, Bohnen sind nischt das Schleschteste ― außer man hat gerade eine kräftige Lauch-Kartoffelsuppe mit Sahne-Kräuter-’äubschen zur ’and, eine Gans an Champagner-Trüffeln und einen Apfel-Karamelkuchen.“ Von seiner eigenen Menüfolge begeistert, eilte er mit Skaia durch die Küche und zeigte auf Töpfe und Bratrohre, in denen das alles gerade gekocht und gebacken wurde. Nach all den widerlichen Bohnen-Wochen ließ sich Skaia gerne von seiner Begeisterung anstecken. Ihr lief das Wasser im Munde zusammen, und sie versprach, in Zukunft öfter in die Küche zu kommen und seine Künste zu loben. „Aber nur, wenn es wirklich lecker war“, fügte sie hinzu.
Missjö Sufflee ging darauf nicht ein. Stattdessen beklagte er sein Schicksal. Für einen Hofkoch sei es blamabel, weniger als zwei Dutzend Personen zu verköstigen. Außer den Eingeweihten und dem ‚Guten’ gäbe es in der ganzen Burg ja nur noch das Fräulein Martha aus der Bibliothek, und die sei überhaupt die einzige, die einen Leckerbissen zu schätzen wisse.
„Und die Gefangenen“, ergänzte Skaia.
„Da warst du die einsige weit und breit“, wiegelte der Koch ab. „Nun gut, ein paar Ersie’er für disch sie’en demnäschst noch in die Burg ein, aber fett machen sie das Kraut auch nischt.“
Bei dem Wort Erzieher horchte Skaia auf. Nicht, dass sie sich darum gerissen hätte, gleich mehrere eigene Erzieher zu bekommen, aber immerhin wäre sie dann ja wohl Klirr los. Sie hatte kaum an ihn gedacht, seit sie ihn in der Zelle zurückgelassen hatten. Ob er vielleicht darin eingeschlossen war? Skaia musste in sich hineinkichern, als sie sich vorstellte, wie er in der Zelle tobte und keiner Notiz davon nahm, weil der Trakt so abseits lag. Das schadete gar nicht, wenn er eine Weile aus dem Verkehr gezogen war. In ein paar Tagen konnte Skaia ja nachfragen, ob man ihn vergessen hatte.
„Du findest das auch noch lustig?“, riss sie Missjö Sufflee aus ihren Gedanken. „Isch nischt. Frü’er“, sagte er mit gesenkter Stimme, „gans frü’er, meine isch, du weißt schon, bevor sich Tag und Nacht bekämpften, da gab es noch Festtafeln, die eines Hofkochs würdig waren.“ Skaia schaute ihn erstaunt an. Es war nicht üblich, dass jemand gut von der Zeit vor Solterras Sieg über die dunkle Macht sprach. Genaugenommen wurde überhaupt kein Wort darüber verloren.
„Stell dir vor: eine Tafel, so lang, dass du gar nischt bis ans Ende se’en kannst. L’unio und L’una, das Herrscherpaar über Tag und Nacht, lassen für den versammelten Hofstaat und die hochwohlgeborenen Gäste aus allen Reichen vierundswansig kunstvoll versierte Schiffe auftragen, die schwer an den köstlischsten Köstlischkeiten tragen: Forellen in süßem Wein gekocht, Wildschweinlende mit gelber Königssuppe, Fasanenfleisch in trübem Aspik, gebratener Steinbutt in Pflaumensoße, salzige Törtschen mit Hummerschwänzen, Schneckensuppe, Krebstorte, Austern mit Orangen und Pfeffer, Küken mit ausgebackenen Leberwürstschen, Schwalbennester, gebratene, kalte Sperlingsvögel, Makkaroni mit ’onig, in gesuckertem Rosenwasser gewaschene Butter, gekochte Kalbsbrust mit Ringelblumen, junge Kiebitse im Tiegel, Turteltauben mit gebratenen Ginsterbeeren, Mortadellascheiben mit Sucker und Simt, Kastanien in Rosenblättern. Zum Dessert trug man Obstgärten aus Marsipan ’erein. Unter den süßen Bäumschen lagen nicht nur allerlei Sorten von Äpfeln, Beeren und Südfrüschten, sondern auch Schalen voller Melonenkerne mit weißem, kandierten Anis, Konfekt aus Pinien und Pistazien, mit Moschus parfümierte Mandeln, Paradiesäpfel in Körbschen sowie Suckerpasteten mit lebenden Vögeln darinnen.“
„Mit lebenden Vögeln?“ Skaia hatte der nicht enden wollenden Aufzählung bereits recht skeptisch gelauscht, aber das nun war völlig unglaubwürdig.
„Ja, natürlisch“, bekräftigte der Koch und goss sich aus einer bauchigen Karaffe sein Glas voll, leerte es allerdings gleich darauf wieder zur Hälfte. „Und das war noch nischt einmal das Tollste! Mit einem Male nämlisch klappte der größte der Marsipanbäume auseinander, und heraus trat unter
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