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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Ordner aufschlug. Es waren allerdings nur wenige Blätter darin abgeheftet. Rasch hatte Fräulein Martha sie durchgesehen.
    „Liegt kein Antrag vor“, gab sie bekannt. „Kein Antrag, kein Ausweis, keine Bücher.“
    Als Dreizehnjährige hatte sie in Solterra längst genug Erfahrungen dieser Art gemacht und sich abgewöhnt, ärgerlich zu werden. Man konnte froh sein, wenn der jeweils Zuständige kein dickes Nachschlagewerk auf den Tisch wuchtete und erst einmal stundenlang blätterte, um zu prüfen, welche Voraussetzungen es unter welchen Bedingungen eventuell möglich machten, überhaupt einen Antrag zu stellen ― und welche Einschränkungen dabei zu beachten waren.
    Insofern war es von Skaia fast frech, als sie Fräulein Martha entgegnete: „Dann stelle ich eben einen Antrag!“
    Fräulein Martha wurde noch spitzer im Gesicht, was nur dadurch möglich war, dass sich ihre Lippen fischmäulig nach vorne stülpten. Dann ratterten die Regeln aus ihr heraus: „Antragsberechtigt sind Eingeweihte, Wissenschaftler, sofern sie von mindestens drei führenden, ebenfalls antragsberechtigten Kollegen empfohlen worden sind, die Direktoren der zwölf zentralen Anstalten und deren Vertreter, Erzieher, wenn sie eine herausragende Position bekleiden oder ein berechtigtes Interesse nachweisen können, sowie alle Träger des Sonnenordens erster Klasse. Gehörst du zu einer dieser Gruppen?“
    Skaia musste zugeben, dass sie sich in der Aufzählung nicht wiederfand. Aber Missjö Sufflee fiel auch nicht gerade unter diese Bedingungen. Dennoch hatte er Zutritt erhalten.
    „Und der Koch?“
    „Der Koch?“ Fräulein Marthas Augen zuckten mit einem Mal irritiert hin und her.
    „Hat wahrscheinlich ein Törtchen vorbeigebracht. Weil er weiß, wie gerne Sie die haben“. Skaia hatte keine Ahnung, ob sie mit ihrer Strategie Erfolg haben würde, schließlich konnte sie bloß Vermutungen darüber anstellen, wie Missjö Sufflee diesen Bibliotheksdrachen gnädig gestimmt hatte.
    „Er hat nur geblättert. Nichts ausgeliehen. Keinen Ausweis bekommen. War immer unter meiner Aufsicht.“
    Wenige Augenblicke später stand Skaia mitten in der Bibliothek. Sie hatte Fräulein Martha zu bedenken gegeben, dass der Gute Herrscher solcherlei Ausnahmen höchstens dann schätzte, wenn sie auch für seine Schwester galten.
    „Aber die Robolde bleiben draußen!“ Darauf hatte Fräulein Martha bestanden. Skaia war das nur recht. So konnte sie ungestört herumstöbern.
    Nach links und nach rechts zogen sich die Regale hin. Skaia schritt sie ab, während sie die angeschriebenen Themenbereiche überflog. „Verwaltung und Organisation“, „Forschung und Technik“, „Sein und Zeit“, „Schlafen und Wachen“, „Kunst und Vernunft“, „Sonne und Erleuchtung“, „Eingeweihte und Herrscher“ zogen meterweise an ihr vorbei, bis sie bei „Vergangenheit und Zukunft“ stoppte. Ob sie hier fündig werden würde? Über ihr, gerade so hoch, dass sie mit den Händen drankam, stand ein vielbändiges Nachschlagewerk. Goldgelb leuchtete der Titel auf dunklem Grund: „Die Geschichte Solterras“. Skaia angelte sich den ersten Band. „Von den Anfängen bis zu Taminos Ende“ verkündete die erste Seite. Aber die Anfänge stellten sich nicht als das heraus, was Skaia erhofft hatte. Das, was dort zu lesen war, hatte Skaia so ähnlich auch schon bei Klirr im Unterricht gehört: „Einst standen am Himmel zwei Gestirne, die Sonne und der Mond. Während die Sonne des leuchtenden Tages die Menschen wärmte, brachte die Nacht Finsternis übers Land, denn der Mond leuchtete nur schwach. Von der eigenen Unzulänglichkeit verbittert, wurde die Königin der Nacht böse und schickte allerlei dunkle Gefühle in die Herzen der Menschen, sodass manche nicht mehr bei klarem Verstande entscheiden konnten, was richtig und was falsch war. Sie sandte ihre Tochter Pamina und den Prinzen Tamino aus, Sarastro, den Herrscher der Sonne, zu erdolchen. Doch seine Weisheit und Güte führten die beiden ins Licht der Erkenntnis. Fortan wollten sie selbst dem Sonnenreich dienen und halfen Sarastro, die unselige Macht der Nacht unschädlich zu machen.“ Dem Absatz folgte eine ausufernde Beschreibung, wie Tamino zum ersten Guten Herrscher erhoben wurde. Von der Königin der Nacht und ihrem Reich war keine Rede mehr. Wenigstens fand Skaia im Stichwortregister die Feuer- und Wasserprobe. Diese wurde in einigen Bänden geschildert, wenn es darum ging, wie die Nachfahren Taminos und Paminas

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