Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
Vom Netzwerk:
die Gäste. Die Grüppchen, die sich gedämpft unterhielten, bestanden hauptsächlich aus Männern, aber es waren auch etliche Robolde und vereinzelt sogar Frauen darunter. Vor dem Sonnensaal hatte sich eine Schlange gebildet. Die meisten der Wartenden trugen dezente Kleidung. Wie froh war Skaia, als sie einige Männer in weißen Laborkitteln und mit Troddelkappe entdeckte. Dass ihr eigener Kittel nur der eines Kochs war, würde hoffentlich keiner bemerken. Alle hatten wichtige Mienen aufgesetzt und trugen die Nasen hoch. Keiner blickte zu ihr herunter. Niemand achtete auf sie, als sie sich eine günstige Position in der Schlange eroberte. Sicherheitshalber blieb sie ein gutes Stück hinter dem Meister der Zeit. Womöglich erkannte er sie wieder.
    Langsam ruckelte die Schlange voran, hinein in den Sonnensaal. Die Eingeweihten hatten nebeltechnisch aufgerüstet. Um Skaia herum begann das Gehuste und Gekeuche. Wer war es schon gewohnt, sich in beißendem Rauch die Beine in den Bauch zu stehen? Die Frau, die direkt auf den Meister der Zeit folgte, hielt sich die Kehle und krümmte sich vor Husten. Bald hörte man sie nur noch. Mehr als die Schuhe des Vorder- und des Hintermannes war nicht mehr auszumachen. Dass sich die Situation weiter vorne wieder besserte, konnte man nur daraus schließen, dass sich jeweils derjenige, der am Kopf der Schlange stand, mit kräftiger Stimme vorstellte. „Allergio“, tönte es gerade in den Raum, „Direktor der solterranischen Heilanstalt“. Ein Trompetensalut trötete hinterher. Gleich würde Allergio ein paar Schritte auf Aldoro zu machen, um sich vor ihm zu verbeugen. Dass Aldoro in jenem abgewetzten Sessel saß, auf dem noch vor wenigen Tagen der gebeugte Yaho gethront hatte, erkannte Skaia zwar nicht, weil sie im Moment überhaupt nichts sehen konnte, aber so wusste sie es aus Klirrs Unterrichtsstunde.
    „Quotas, Bereichsleiter in der Güterverteilungsanstalt“, „Agrypo, Schlafforscher“, „Fräulein Martha, Burgbibliothekarin“ verkündeten die nächsten Stimmen. Unglaublich! Sogar der Bibliotheksdrachen war eingeladen. Am Ende sogar der Koch? Wurden denn alle wichtiger genommen als Skaia, die Schwester des zukünftigen Herrschers? Der Rauch um sie herum wurde dünner. Sie musste sofort raus aus der Schlange! Unauffällig drückte sie sich zur Seite in die Rauchschwaden hinein. Natürlich machte sich gerade jetzt ein Hustenreiz in ihrem Hals bemerkbar. Nur nicht darauf achten! Keinesfalls dem Reiz nachgeben. Was hätte es ihr genutzt, vom Nebel verborgen zu sein, wenn sie sich dann aber durch ein Hüsteln verriet? Während Aldoro unter dem gleißenden Sonnenhimmel einen ganzen Schwung von Bürgermeistern aus Solberg, Solfeggio, Solipsis, Soldateska, Solundhaben und Solarium abzunicken hatte, tastete sich Skaia blind durchs Gewaber. Die Stimmen und die Trompetenstöße halfen ihr zu orten, wo sie sich gerade befand.
    „Klüglich, Erzieher bei Hofe“ hörte sie. Welche Farbe sein Gesicht wohl gerade annahm bei der Vorstellung vor dem Guten Herrscher? „Phaseolus, Direktor der Ernährungsanstalt“. Oh, das war einmal der oberste Vorgesetzte von Aldoro gewesen.
    Ein vorsichtiger Schritt nach vorne, und der Nebel lichtete sich. Skaia blieb im Schatten einer Säule, damit niemand sie bemerkte. Sie selbst jedoch konnte Merks erkennen, der den Kopf einzog und sich dorthin trollte, wo all die anderen standen, die ihre Aufwartung schon gemacht hatten. Von Aldoro sah sie nur einen Unterarm auf der Lehne des Sessels. Sie ließ sich auf alle Viere nieder und kroch, umwallt vom theatralischen Bodennebel, auf Aldoros Sessel zu. Selbst die Eingeweihten, die sich zu beiden Seiten Aldoros aufgereiht hatten, konnten sie nicht sehen, solange sie sich nicht umdrehten.
    Unter dem Sessel war es genauso unbequem wie damals, als sie dort Schutz vor den fallenden Buchstaben gesucht hatte. War es wirklich erst vor ein paar Tagen gewesen? Skaia erinnerte sich an die Ratte, mit der sie diesen Platz geteilt hatte. Und an die Schuhe von Düster, die sie direkt vor der Nase gehabt hatte. Jetzt waren es Aldoros alte Stiefel. Unter dem gelben Herrscherkaftan, den er sich hatte umlegen lassen, waren sie eine letzte Erinnerung an sein vergangenes Leben. Für einen kurzen Moment schloss Skaia die Augen und bat inständig in das Dunkel hinein, dass Aldoro sie hören und verstehen möge. Und nur er ― niemand sonst!
    Noch ein aufgeregtes Blinzeln, dann wagte sie es: „Aldoro!“, zischte sie, und in

Weitere Kostenlose Bücher