Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Sonnensaal „derartig eindrucksvoll“ Feuer und Wasser über den Auserwählten bringen konnte, ohne die anwesenden Gäste zu gefährden. „Nur gut, dass wir alle wussten, wie sicher ihn der Sonnenkreis schützen würde. Sonst hätte keiner geglaubt, dass er diese Naturgewalten überstehen könne. Für dich war es zweifellos besser, dass du es nicht miterlebt hast.“ Auch die anderen zeigten sich schwer beeindruckt von der Probe und zollten Aldoro höchsten Respekt für seinen Mut.
Skaia wollte das alles nicht hören. „Können wir bitte mit dem Lehrstoff weitermachen“, forderte sie die Erzieher auf, wenn sie sich im Schwärmen über die Zeremonie verloren. Dass sie je einmal so einen Satz sagen würde, hätte sie nicht gedacht. Aber alles war besser als die Bilder von ihrem Bruder, der verschlungen wurde von Feuer und Wasser. Wieso er überlebt hatte, war ihr immer noch ein Rätsel. Aber Hauptsache, die Katastrophe war nicht eingetreten. Sie hatte ihren Bruder nicht verloren. Auch wenn er weiter unerreichbar für sie blieb. Auch wenn sie solche Sehnsucht hatte, sich in seine Arme zu werfen.
Das letzte, was sie gestern von ihm wahrgenommen hatte, war ein Zwinkern in ihre Richtung gewesen. Dann hatte sich der Saal schnell geleert. Die Eingeweihten zogen Aldoro, den sie nun „Al d’oro“ nannten, „den vom Sonnengold Durchdrungenen“, mit sich fort. Die Gäste wurden von Robolden hinausgeschoben, nachdem Aldoros Adjutant mit einem Wink das Kommando dazu gegeben hatte.
Erst als alle verschwunden waren, hatte sich Skaia aus ihrem Versteck hervorgewagt, um den Rückzug anzutreten. Bei jeder Abzweigung in einen anderen Gang blickte sie vorsichtig um die Ecke, damit sie auch ganz sicher sein konnte, niemandem in die Arme zu laufen. So voller Menschen war die Burg ja sonst nie. Dummerweise musste sie einen ziemlichen Umweg machen. Den ganzen Westflügel bis ans Ende, dann in den Keller zur Küche. Die Mütze und den Kittel unter dem Pullover, schob sie sich still durch die Schwingtür. Es herrschte Hochbetrieb. Wahrscheinlich war Missjö Sufflee so glücklich wie selten. Endlich hatte er ein Riesenbankett zu bestücken.
„Wie soll isch denn so arbeiten? Dreimal in einen Topf ’inein geguckt, und isch bin gans schmutsig. Du da ...“ Er gab dem Robold, der in einem Suppentopf rührte, die Order, ihn kosten zu lassen. Sogleich streckte ihm der Robold einen Löffel voller Suppe entgegen. Ungeduldig schlürfte Missjö Sufflee, zuckte aber erschreckt zurück. Es war zu heiß. Einige Tropfen spritzten auf sein hellblaues Hemd, gesellten sich zu den anderen Flecken, die dort bereits in allerlei Farben versammelt waren. „Dummkopf!“, blaffte er seinen mechanischen Küchengehilfen an und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Kopf. Dass dabei aus dem Glas, das er vor seinem Bauch hielt, Rotwein schwappte und sich über den Bund seiner Hose ergoss, merkte er erst gar nicht. Ohne seinen Kittel konnte er offenbar nicht arbeiten. Als er den Rotweinfleck dann doch entdeckte, geriet er in Rage. „Salz, Salz!“ schrie er, sprang quer durch die Küche und stieß im Laufen gegen eine nach unten geklappte Backofentür. Zwischen den völlig unbeeindruckt weiterarbeitenden Robolden ging er zu Boden.
Das war die Gelegenheit, die Skaia nutzte. Mit wenigen Schritten hüpfte sie aus ihrer dunklen Ecke und warf den Kittel in jenen Schrank, aus dem sie ihn am Vorabend genommen hatte. Im Hinauslaufen griff sie nach einem Tablett voller Krapfen und hinterließ in den akkurat ausgerichteten Dreierreihen eine Lücke. Nach den aufwühlenden Erlebnissen im Sonnensaal hatte sie zwar null Appetit, aber irgendwie musste sie ja Simpel und Gimpel überzeugen, dass sie aus der Küche und keinesfalls von der Zeremonie kam.
Mampfend schritt sie auf ihre beiden Wachrobolde zu und gab vollmundig von sich: „Flaft ihr eigentliw im Ftehen, oder wawum feid ihr nift mit in die Küffe gekomm’?“
Simpels Kameraaugen surrten nach vorne. Wurden zu langen Teleobjektiven und stellten auf Skaia scharf. „Nicht gesehen?“, fragte er. Gimpel klappte seine Brust auf und begann mit einem Akkucheck. Derweil verschwand Skaia in ihr Zimmer.
Und nun, eineinhalb Tage später, hatte sich Skaia immer noch nicht richtig erholt vom Schock, den die Feuer- und Wasserprobe bei ihr ausgelöst hatten. Ihre Gedanken verkrochen sich in hinterste Winkel. Mit dumpfem Kopf lag Skaia im Bett und hörte Lallah fragen: „Ist Ihr Schlaf mit dem Mützchen
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