Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
angenehm?“
Skaia nickte gedankenverloren. Was interessierte sie das Mützchen? Das Mützchen, das Lallah ihr mit großer Geste aufsetzte, bevor sie entschwand. Das Mützchen, das nicht so wärmte wie Aldoros Arme, sein Lachen, seine scharfen Gewürze in der Bohnensuppe zu Hause. Sie lag in einem Schlafzimmer, in dem sie die Bilder nicht aufhängen mochte, auf die sie früher so gern vom Bett aus geblickt hatte. Früher ... Das war keine Woche her! Alles war anders, und alles fühlte sich so an, als würde sich in ihr stumme Einsamkeit ausbreiten. Was half da eine Gesellschafterin aus Chips, Dioden und Stahl? Von ihr kam nur Geschwätz. Und ein Mützchen! Aber sie brauchte jetzt kein Mützchen mehr! Weg damit! Angewidert riss sich Skaia das Wollteil vom Kopf und warf es weit von sich. Es landete auf einer der klobigen Metallschienen, die dem Umarm-O-Maten die Füße ersetzten.
„Alle Menschen, die niemanden mehr haben, lieben ihn“, hatte Skaia Lallah noch im Ohr. Allein schon deshalb hatte sie das Monstrum bisher keines Blickes gewürdigt. Dabei sahen seine Polster tatsächlich kuschelig aus.
Vielleicht, wenn sie die Augen zumachte? Sich vorstellte, es sei ihr Bruder, und sie stünden zu Hause in ihrem kleinen Zimmer oder draußen im Licht des Sonnenunter-Sonnenaufgangs?
Zögernd trat sie auf das Podest. Es war mit Kork bezogen und kein bisschen kalt unter ihren nackten Füßen. Wie sie so dastand, nur mit dem dünnen Pyjama bekleidet, kam ihr der Umarm-O-Mat riesig vor. Wie einer, den nichts umwerfen konnte. Der allen Anfeindungen trotzte. Unter dessen Schutz man sicher war. Skaia sah nichts als das lebhafte Dunkelrot hinter ihren geschlossenen Lidern, als sie sich an die Polster schmiegte. Spürte nichts als den Wunsch, festgehalten zu werden. Die Greifer umfingen sie. Sicher. Kräftig. Ließen es nicht zu, dass sie fiel. Endlich musste sie nicht mehr standhaft sein. Nicht mehr stark. Sich keine Tricks ausdenken, um Klirr zu entkommen, um Aldoro zu sehen, um herauszubekommen, was mit ihr geschah. Heftig schlang sie ihre Arme um den Rumpf, an den sie sich lehnte. Traf etwas Hartes, Ölverschmiertes. Ein Zahnrad vielleicht. Irritiert öffnete Skaia die Augen und registrierte vor sich das Muster der Polsterbezüge. Es war nur ein mechanischer Klotz, auf den sie sich stützte. Nichts, was ihren Herzschlag fühlen konnte und die ganze Traurigkeit, die aus ihr heraus wollte. Es war nicht ihr Bruder.
Mit einem Mal hatte sie genug. Wie weit war es mit ihr gekommen? Sie umarmte ein empfindungsloses Ding. Loslassen! Sie musste loslassen.
Aber der Umarm-O-Mat kümmerte sich nicht darum. Er hielt sie weiter fest mit seinen Greifern. Skaia drückte und schob, versuchte, nach unten durchzuschlüpfen. „Verdammt, lass endlich los!“ Mit dem einen Arm, den sie mühevoll freibekommen hatte, hämmerte sie dem Automaten auf die Schulter. Einen Kopf hatte er ja nicht. Mit aller Gewalt stemmte sie sich gegen die Greifer. Plötzlich krachte es im Inneren ihres Gegners. Skaia stürzte nach hinten. Plumpste mit Wucht auf den Boden.
Ein Arm des Umarm-O-Maten baumelte schwer hin und her, denn er hing nur noch an ein paar Kabeln und einem schimmernden Stahlseil. Das Schultergelenk war auseinander gebrochen.
Skaias Steißbein schmerzte, und sie merkte, wie die Kälte des Bodens an ihr hoch kroch.
Eine Ewigkeit hockte sie da. Irgendwann begannen Geräusche in ihr Gehirn zu dringen. Spitz wie Steinchen, die auf eine Glasplatte fielen. Oder gegen ein Fenster ... Es kostete Skaia Kraft, sich vom Boden zu lösen. Sie hielt sich am Vorhang fest, als sie nach draußen lugte und erkannte, wer ein Stockwerk tiefer mit seinen Stiefeln Steinchen zusammenscharrte, um sie gegen ihr Fenster zu werfen. Aldoro! In seinen ältesten Kleidern, so schien es Skaia, jedenfalls ohne den gelben Herrscherumhang und mit so wild gelockten Haaren, dass selbst Lallahs Kamm nichts dagegen ausgerichtet hätte. Skaia riss das Fenster auf.
Und Aldoro flüsterte erleichtert: „Skaia! Endlich! Ich habe schon geglaubt, du hörst mich nie!“
„Komm rauf!“, rief Skaia und dachte keinen Moment daran, dass es jemand mitbekommen könnte. Sie warf ihrem Bruder die zusammengebundenen Kordelschnüre zu, deren Ende sie am Fensterkreuz festband. Unter anderen Umständen hätte Skaia über ihren Bruder gekichert, wie er sich am Seil abmühte, aber jetzt reckte sie ihm so weit wie möglich ihre Arme entgegen. Fast konnte er schon seine Knie auf den Fenstersims
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