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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Ecke der Sängerin zu.
    „Ja, ja“, entgegnete sie beschwichtigend und flüsterte dem Tastenmann irgendetwas ins Ohr.
    Seine Augen leuchteten. „Ja! Ein uraltes Lied ― urururalt.“
    Dann setzte sich der Musikwurm in Bewegung. Der Tastenmann schlug tiefe Töne an, und von den Knöpfen her dröhnte es wie Gebrumm. Darüber schwebte die Stimme von Ola: „Urzeit war es, da Ymir lebte.“
    „Ar var alda, ar var alda“, sangen die Männer im Chor.
    „Es gab weder Sand noch Meer noch salzige Wellen. Weder Erde noch Himmel. Nur gähnenden Abgrund und nirgends Gras.“
    „Ne upp himinn, ne upp himinn“, sangen die Männer.
    „Von Süden die Sonne, des Mondes Gesellin, hielt am Rande den Himmel. Ihren Platz kannte die Sonne noch nicht. Von seiner Macht wusste nichts der Mond.“
    „Sol valtiva, sol valtiva ...“, ließen die Männer das kurze Lied in vielen verschlungenen Wiederholungen ausklingen.
    Die zwei Frauen in der Ecke johlten und klatschen. Der Alte am Tresen, bei dem der Musikantenwurm zum Stehen gekommen war, blickte glasig zu Boden.
    Skaia winkte die Truppe zu sich. „Ihr kennt euch aus in der, in der ...“ Vor Aufregung geriet sie ins Stottern. „... in der Zeit, als alles noch ganz anders war?“
    „Nein, keine Ahnung“, sagte Ola.
    „Aber das Lied. Das handelt davon.“
    „Ja. Aber es ist nur ein Lied. Wir singen es, weil es in seiner alten Sprache so geheimnisvoll und so schön ist.“
    „Und traurig“, ergänzte der Mann an den Knöpfen und nickte dem grün behüteten Mann zu, der sich mit dem Schnupftüchlein Tränen aus den Augen wischte. Die Bedienung scheuchte die Musiker fort, um mit dem Essen durchzukommen.
    Die Toffelgerichte schmeckten ausgezeichnet, wobei sich Skaia an das leichte Prickeln, das der Brei auf der Zunge hinterließ, erst gewöhnen musste.
    Kaum hatte sie aufgegessen, kam die Wirtin zurück. „Einmal Narrtoffelbrei, einmal Trüffeltoffelsalat und ein Schälchen Wasser ― macht 3,30.“ Die Frau streckte Skaia die Hand entgegen. Doch mit einem Mal verharrte sie und wandte sich Lunetta zu. Was die Katze im Kopf der Wirtin dachte, konnte Skaia nur erahnen, als die Frau antwortete: „Gesandte der Königin?“ Es klang keineswegs ehrfürchtig. Vielmehr schwang Gereiztheit in ihrer Stimme mit. „Kommt das jetzt öfter vor?“
    Lunetta blickte der Frau tief in die Augen, sandte wohl bohrende Fragen in ihr Hirn.
    „Also, wenn ihr das selbst nicht wisst, wen ihr alles in der Gegend herumschickt, um arme Leute zu schröpfen ... So ein Galgenvogel! Ein Kerl in dunklem Federkleid. Hatte einen ganzen Schwarm Raben dabei, die alles anpickten, was ich nicht in Sicherheit brachte. Behauptete auch dauernd, er sei ein Gesandter der Königin. Und wenn wir ihm nicht alles gäben, was er wolle, bekämen wir die flammenden Sterne zu spüren.“ Sie war lauter geworden, und ihre Augen flackerten bei der Erinnerung an die Begegnung.
    Immer mehr Gäste blickten herüber. Sogar die beiden Frauen in der Ecke unterbrachen ihren Streit, den sie mit ihren Geweihen ausfochten. Jetzt verfolgten sie die Anklagen und reckten die Hälse, um diejenigen, die da gescholten wurden, giftig anstarren zu können.
    Lunetta schienen beruhigende Worte eingefallen zu sein. Die Frau ballte die Fäuste, dass die Knöchel ganz weiß wurden, aber sie lenkte ein: „Gut, ein Zimmer ist frei ...“ Aus der Ecke krachten die beiden Geweihe wieder aufeinander, während sie schnell hinzusetzte: „Aber nur für eine einzige Übernachtung!“
     
    Das Himmelbett war eines der wenigen Dinge, an die sich Skaia gerne erinnerte, wenn sie an die Burg dachte. Und wie sehr sie weiches Bettzeug vermisst hatte, merkte sie, als ihr Kopf im aufgeschüttelten Kissen versank. Das Zimmer war schlicht, aber um vieles besser als kalte Felswände und lehmige Böden. Den Schrank verschloss anstelle einer Tür ein zurechtgesägtes Brett. Wenn man die vier Holzriegel, die es festhielten, verdrehte, fiel es einem entgegen. Skaia hatte sich dabei einen Splitter eingezogen. Lunetta war in den Schrank gehüpft und hatte es sich auf einer zusammengefalteten Decke bequem gemacht.
    „Wer war das, von dem sie erzählt hat?“, wollte Skaia von ihr wissen. Seit sie die Angst in den Augen der Wirtin gesehen hatte, spukte ihr der Federmann im Kopf herum. Sie stellte sich vor, wie er mit den Flügeln schlug und wie der Wind, den er damit entfachte, durch das Dorf fegte, die Kinder vom Baum blies und den Buckligen umwarf.
    Lunetta antwortete

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