Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)
Oder nein ― es wäre dem Wald erst einmal verboten worden, unkontrolliert herumzulaufen. Und dann hätte man auf die Tafel geschrieben: „Zypressenwald. Die Zypresse, ein immergrüner Nadelbaum bis etwa 30 Meter Wuchshöhe mit schuppenförmigen, kreuzgegenständigen Nadelblättern, männlichen Blüten und weiblichen Zapfen ...“ und so weiter und so fort. Dass diese Zypressen kreuzunglücklich waren, hätte jedoch niemand für erwähnenswert gehalten.
Auf dem Schild vor ihnen, das schief im Boden steckte, stand nur: „Sackgasse“. Es bezog sich ausgerechnet auf jenem Weg, den Skaia gewählt hätte. Denn der andere war nicht viel mehr als ein Trampelpfad.
„Na gut“, dachte sie, „wir wollen ja nicht sinnlos umherirren.“ Gerne schlug sie den schmalen Pfad aber nicht ein.
Nur der Blaukappe schien das ständige Ausweichen vor dem Gebüsch Spaß zu machen. Wie einen Slalomparcours durchflog sie das Gewirr aus Zweigen und Ästen. Einem morschen, quer über dem Weg liegenden Baum kam sie dabei so nah, dass Skaia kurz Angst hatte, das Flämmchen könnte das tote Holz in Brand stecken. Aber der Stamm war vielleicht gar nicht trocken genug. Missmutig tauchte Skaia darunter hindurch. Sie wollte nicht befingert werden von den Farnen oder Moosen oder was auch immer das Grünzeug sein mochte, das da vom Baum herunter hing.
Auf dem nächsten Schild hieß es: „Hier geht’s nicht weiter“. Dabei schien es dahinter wieder lichter zu werden.
„Meinst du, wir haben eine Abzweigung übersehen?“ Mikolo schien nur allzu gern bereit, zurückzugehen.
Skaia nicht. Was waren das für idiotische Schilder? Wer hatte sie hierher gestellt? „Komm, wir gehen weiter!“, entschied sie, beschleunigte ihren Schritt und sah auch schon das nächste Schild: „Hast du nicht verstanden? Hier ist Schluss!“
„Skaia“, rief Mikolo atemlos hinter ihr.
Die Büsche wurden niedriger. Skaia spürte die Dornen nicht, die ihr die Haut aufritzten. Der Boden wurde morastig.
„Schluhuss!“, verkündete das nächste Schild. Und das übernächste: „Ende, Aus, Amen, Ätsch!“
Skaia trat ins Nasse. Vor ihr lag ein See. Mücken tanzten über der glatten Wasseroberfläche. Bis sie ein Schnappen vertrieb. Ein dicker Fisch tauchte auf und wieder unter. Hinterließ Kreise, die sich langsam ausbreiteten. Das Mondlicht glitzerte darauf stecknadelspitz.
Hinter sich hörte Skaia Mikolo näherkommen.
„Skaia, lass mich nicht allein“, rief er.
Ein ungnädiges Quäken kommentierte: „Eh, da kommt ja noch einer.“ Skaia fuhr herum und sah eine blassgrüne Gestalt, die auf einem flachen Stein lag. Mit einem großen Blatt bedeckte sie ihre Blöße.
Mikolo verzog ängstlich die Miene, als er das seltsame Geschöpf sah. Besser wäre es gewesen, wenn er auf die Wurzel geachtet hätte, die wie eine Schlinge aus dem Boden ragte. Er fiel Skaia vor die Füße.
„Iiih“, machte er. Sein ganzes Kostüm war voller Matsch.
„Da seht ihr, was einem passieren kann, wenn man nicht auf Warnungen hört!“, gab der Grünling mit breitem Maul von sich. Er hatte einen reichlich kugeligen Bauch, dafür jedoch besonders dünne Ärmchen und Beinchen. Zwischen den Fingern und Zehen konnte Skaia Schwimmhäute ausmachen. „So, jetzt habt ihr ja mit eigenen Augen gesehen, dass es eine Sackgasse ist. Neugier befriedigt, überschüssige Energie losgeworden und auch noch die Einheimischen belästigt ― großartig. Also dann: Abmarsch und auf Nimmerwiedersehen!“ Als Skaia sich nicht gleich bewegte, quäkte er aufgebracht: „Eh, jetzt geh mir endlich aus dem Licht! Siehst du denn nicht, dass ich mich monden will?“
Tatsächlich: Skaias schwacher Schatten fiel auf den Grünling. Aber solange der Kerl so unfreundlich war, würde sie sich ganz bestimmt keinen Millimeter zur Seite bewegen. Voller Groll raunzte sie ihn an: „Hast du uns in die Irre geführt mit den Schildern?“
„In die Irre? Also, noch deutlicher kann man es ja nicht machen, oder? Wenn da ‚Sackgasse’ steht, dann ist es auch eine Sackgasse.“
„Aber“, mischte sich Mikolo vorsichtig ein, „das Sackgassen-Schild stand neben dem anderen Weg.“
„Ach? Dann hat es jemand umgestellt. Nur Volltrottel. Weiß schon, warum ich hier keinen sehen will.“
„Und wie kommen wir jetzt nach Überzeh?“ Mikolo blickte ratlos zu Skaia.
„Wir gehen eben den breiteren Weg weiter.“
„Eh, der führt nicht nach Überzeh! Da müsst ihr am Bach lang.“
„Aber der Wegweiser ...“, warf
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