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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Dunkelheit gewöhnt, dass sie Yahos Fingern folgen konnte, wie sie den Sonnenkreis präsentierten. Jetzt erst erkannte sie richtig, wie er aufgebaut war: Zwischen den sieben Kugeln hingen jeweils zwei parallele Silberbänder, die den immer gleichen Abstand zwischen den Kugeln bestimmten.
    „Eine Kugel und ein Doppelband sind schnell herausgenommen. Ein Frevel, doch bei einer ist es geschehen: Bei der achten, dem Mondauge. Keine der verbliebenen Kugeln hat mehr ihr ursprüngliches Gegenüber. Alles ist aus dem Gleichgewicht. Der Sonnenkreis alleine taugt nur noch für trockene Vernunft.“
    Skaia verstand Yaho nicht.
    Doch er rief beschwörend: „Von der Sonne geblendet, schließen sich unsere Augen zu Schlitzen ― sehend dünkten wir uns, blind sind wir gewesen!“ Er atmete heftig. „Alles andere hat keinen Sinn. Nur der Weg zur nächtlichen Königin.“ Mit Schwung hob er den Sonnenkreis hoch in die Luft ― und ließ ihn dann über Skaia Kopf gleiten.
    Jede Kugel alleine hätte sie vermutlich geblendet, aber mit der Kette um den Hals war sie völlig blind.
    Yaho zog sie mit harter Hand aus dem Fass.
    Mikolo schrie.
    Yaho zerrte, als wäre er ein kräftiger, junger Mann und kein hinfälliger Greis. Skaias Beine torkelten ihm nach. Hinter all dem Licht zeichneten sich Umrisse ab. Der eisige Berg. Spiegelte in all seinen Spitzen. Kam auf sie zu. Klirrend kalt. Splitterte mit tausend Nadeln in ihr Herz.

 

Sie tauchte ein in den Berg. Der Sonnenkreis schmolz das Eis, er brannte eine Öffnung hinein. Finsternis drang daraus hervor, löschte das Licht beinahe aus. Nur mit Mühe konnte Skaia den Gang erkennen, in den sie geraten war. Und um sie herum standen ihre staunenden Begleiter Yaho, Mikolo und die Blaukappe. Sie waren eingedrungen in den Verbannungsort der Königin. Yahos entschlossene Miene signalisierte, dass er Skaia jederzeit aufhalten würde, sollte sie versuchen zu fliehen. Nur zu gern wäre Skaia umgekehrt. Wie schwarz musste die Seele der Königin sein, wenn man es für nötig gehalten hatte, sie ins lichtlose, ewige Eis zu stecken?
    „Nichts ist schwärzer als der Schatten, den jeder wirft in sengender Sonne.“
    Skaia wusste sofort, woher diese Antwort kam. Sie wandte sich um und sah in glimmende Bernsteinaugen.
    Lunetta zwinkerte sie an. „Du bist also doch noch gekommen. Mit Verstärkung sogar.“ Sie schenkte Yaho und Mikolo ein huldvolles Nicken. „Na dann, hier entlang.“ Sie trappelte los, dem kurvenreichen Gang folgend, immer tiefer in den Berg hinein.
    Das Licht, das der Sonnenkreis ausstrahlte, umspielte Skaia wie eine Aura. Aber Mikolo, der ganz hinten ging, beschwerte sich, dass er nichts sehe hinter dem großen Yaho. Schließlich drängte er an dem alten Mann vorbei und rückte Skaia so nahe, dass sie glaubte, seinen Atem zu spüren. Seit sie den Sonnenkreis um den Hals trug, fror sie nicht mehr. Mikolo schien es anders zu gehen. Die Art, wie er die Luft einzog und in Stößen wieder entließ, klang sehr fröstelnd.
    Auch die Blaukappe wirkte unruhig. Das viele gefrorene Wasser, das sie alle umschloss, konnte dem Flämmchen natürlich nicht geheuer sein. Besonders deshalb, weil dort, wo der Sonnenkreis vorbeieilte, die oberste Schicht zu zerrinnen begann.
    Skaia fühlte sich mies. Wie ihr schäbiges Kostüm passte. Sie war nicht mehr als eine Sklavin, die sich immer wieder dem Willen anderer fügte. Dem Yahos, dem der Katze und am Ende dem der schrecklichen Königin?
    Der Gang wurde breiter. Skaia wollte schon aufatmen, doch die Luft blieb ihr in der Kehle stecken. Erschrocken machte sie einen Schritt zurück und rumpelte gegen Mikolo, der gequält aufstöhnte.
    Vor ihnen stand ― wie plötzlich aus dem Boden gewachsen ― ein Mann, der sie alles andere als freundlich fixierte. Das einzig Sympathische an ihm war seine Hautfarbe, denn die glich der von Gura. Alles andere erschien wie der pure Gegensatz zu ihr: fest aufeinander gepresste Lippen, tief nach unten gezogene Augenwülste, ein stechender Blick, Nasenlöcher, groß wie die eines schnüffelnden Schweins und kantige Schultern über aufgepumpten Brustmuskeln, die ein goldenes Leibchen mit orientalischen Mustern nur dürftig bedeckte.
    Die Katze war an ihm vorbeigelaufen. Jetzt kam sie zurück. „Wo bleibt ihr denn?“ Dann sah sie, was den Tross gestoppt hatte. „Ach, Monostatos. Ein richtiger Kinderschreck, nicht wahr?“ So böse er auch dreinschauen mochte, sie nahm ihn nicht ernst. „Der beißt seit Ewigkeiten nicht

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