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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Fest umklammerte Skaia die Kugeln. Sie brannten unter den Fingern. „Niemand wird ihn je bekommen!“ Ein Schatten sank wie Blei auf ihr Herz.
    „Ein Witz ... Du hättest Königin sein können, Skaia, das Reich der Nacht beherrschen, das Reich der Gefühle. Liebe und Hass, alles, was die Herzen im Innersten bewegt, hättest du in der Hand gehabt. Du hättest dich berauschen können an den Untiefen der Seele, den dunklen, den strahlenden, an allem, was das Leben lebendig macht.“ Schneidend pfiff die Stimme. Ihre Kälte nahm Skaia fast den Atem. Die Königin hatte sich erhoben und ihr beschwörend die Arme entgegengereckt. „Aber du kamst zu spät. Die Schatten sind stark geworden in der Finsternis: die Lüge, der Zorn, der Rachedurst, der Hochmut, die Gier. Sie zögern nicht, dich zu befallen. Und seit keine Macht mehr über sie wacht, sind wir schwach.“ Die Arme zogen Schlieren durch die Luft, das Kleid wogte und spiegelte. In all den Sternen sah Skaia nur sich, tausendfach, und jedes Mal mit grässlichen Grimassen. Sie schielten gierig auf die goldenen Kugeln. Blickten verschlagen hinter sich, wo Mikolo schreiend im Meer ertrank. Gähnten träge im Stuhl des Guten Herrschers. Feixten, als Klirr nackt durch die Straßen getrieben wurde.
    Die Bilder erstarben, das silberne Strahlen schwand. Schemenhaft schwankte die Königin. Bald warf ihr Kleid nur noch das dürftige Licht zurück, das aus Skaias Kugeln drang.
    Ein Tropfen zerstob auf einer von ihnen.
    „Unsere Kraft erlischt mit dir, Skaia. Alles zergeht ...“
    Nässe sickerte durch Skaias Schuhe. Etwas klatschte vor ihr zu Boden.
    „Oh, die Eisvögel fliegen wieder.“ Ein Hauch von Glück durchwirkte die Stimme, bevor sie immer dünner wurde und sich schließlich verlor: „Es war immer Tradition, der nächtlichen Königin Vögel zu bringen. Warum habt ih’ kei’ ...“ Das Sternenkleid erlosch, die Umrisse der Königin verdampften wie Morgendunst in den ersten Strahlen eines neuen Tages. Von der Decke fielen die Vögel und klangen wie Matsch, wenn sie neben Skaia aufschlugen. Einer traf sie an der Schulter.
    Über ihnen krachte es, und ein schmaler Silberschein erkundete den Spalt, der in der Spitze des Berges aufgebrochen war. Er warf sein fahles Licht auf Eis, das tropfend von den Wänden rutschte. Was für ein Schauspiel, wie alles zerfloss. Staunend blickte Skaia nach oben. Hätte Mikolo sie nicht an beiden Schultern gepackt und fortgerissen, wäre sie unter dem Eisblock stehen geblieben, der auf sie niederstürzte. Der Abendstern beleuchtete ihn geheimnisvoll. Und die Splitter, mit denen er um sich schlug, als er den Boden rammte, blitzten bizarr.
    Die Schatten waren getürmt, in die Freiheit der Nacht. Hatten dem Sternenlicht die Herrschaft überlassen. Sanft fiel es auf die vielfarbigen Federn der Vogelkadaver. Und auf drei Frauen in blauen Gewändern. Bislang von der Finsternis verborgen und genauso gefroren wie der dunkelhäutige Wächter im Vorraum, sanken sie wie gefällte Stauen um. Neben ihnen brachen Eiszapfenzähne mit Getöse ab. Von der Katze sah Skaia gerade noch die Hinterpfoten, die sich durch eine klaffende Wunde in der Wand davon machten.
    Mikolo beschwor Skaia: „Wir müssen hier raus.“
    Doch ihr Blick wanderte zu dem, der sie in dieses Inferno gebracht hatte. Nur wenige Meter von ihnen entfernt stand Yaho nachdenklich da. Vor ihm eine Wand aus flatterndem Schwarz. Rote Punkte mischten sich hie und da dazwischen. Dies schien die Quelle des beständigen Rauschens zu sein. Als ob Yaho gar nicht bemerkte, dass er mehr als knöcheltief im Wasser stand ― bei Mikolo und Skaia reichte es noch weiter ― sagte er völlig ruhig: „Die Königin ist Vergangenheit. Aber ihren Schatz müssen wir retten. Er kann nur hier sein, verborgen hinter den Schmetterlingen.“
    Skaia rief Yaho zu. „Der Eisberg schmilzt. Wir haben nicht mehr viel Zeit!“
    „Ja sicher, hast du denn gedacht, er hält es aus mit dem Sonnenkreis in seinem Innersten?“ Dann tat er einen Schritt nach vorne, stieg durch das Geflatter und war verschwunden. Skaia traute sich näher heran. Es waren zigtausende von Faltern. An manchen Flügeln konnte Skaia jetzt die roten Spitzen ausmachen, die der lebenden Wand die glühenden Punkte verliehen.
    Dahinter Yahos Stöhnen: „Nein! Das darf nicht ...“ Ein Schrei des Erschreckens. Ein Sturz und ein Platschen. Prusten. Würgen.
    Unter Skaias Füßen löste sich der Boden auf. Die Schmetterlinge stoben auseinander. Das

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