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Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition)

Titel: Prinzessin der Nacht - Phantastischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Endl
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Wasser griff nach ihr. Tauchte sie unter. Trieb Schollen über sie hinweg. Ihre Haare, ja selbst die Kugeln des Sonnenkreises um ihren Hals schienen zu schweben. Eisig glitt das Wasser über die Augen und trennte Skaia auf viele Meter von Mikolo, der verzweifelt zappelte.
    Dann strömte das Wasser in ihren Körper. Klatschte ihr in den Magen, durchdrang ihre Kiemen. Was für ein seltsames Gefühl. Ganz leicht wurde ihr. Fast ein wenig schwindlig. Die Verwandlung in einen Fisch war verblüffend einfach gewesen. Der mächtige Sonnenkreis hatte sich weit gedehnt und passte sich der neuen Form ihres Körpers an. Das Sklavinnenkostüm jedoch hatte sie ebenso wie die Kette mit der Stundenkugel gesprengt und verloren.
    Sie erreichte Mikolo rasch. Wie stark seine Augen aus ihren Höhlen traten, bevor sie den zappelnden Jungen verschlang. Die Blaukappe sah sie nirgends. Sicher war sie im Wasser erloschen.
    Skaia hatte riesige Flossen. Hätte sie Mikolo nicht so schnell wie möglich ans Ufer bringen müssen, wäre es sicher wundervoll gewesen, sie auszuprobieren in einem Wettschwimmen mit den Tiefseedorschen und Silberbeilen, die aufgeschreckt durchs Wasser jagten. Doch sie wusste es sowieso: Der Sonnenfisch gehörte zu den Riesen der Meere, und das machte ihn zu einem Favoriten, selbst wenn er nur so aussah wie ein Blaubeer-Pfannkuchen mit Haifischflossen. Aber Hauptsache, Skaia war groß und stark. Mit ihrem Hinterteil wedelte sie so heftig, dass sie rasch vorankam. Das Ufer kam schnell näher.
    Sie hatte sich nicht getäuscht. Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, glitt sie an Land und spie ihren Passagier aus.
    Völlig verschleimt kam er aus dem runden Maul gerutscht. Seine Augen geweitet, seine Nasenflügel bebend, seine Backen gebläht. Er öffnete den Mund. Das, was aus seiner Mundhöhle entfloh, war längst nicht so in Mitleidenschaft gezogen wie er selbst. Frisch wie am Tag ihrer ersten Begegnung, entschlüpfte die Blaukappe. Doch Mikolo schnaufte, als ob er die Luft der ganzen Welt einsaugen wolle. Und den Abendstern gleich dazu.
    Da fiel es Skaia erst auf: Neben dem hellen Gestirn tauchten allmählich auch alle anderen Himmelskörper auf. Sogar die silberne Sichel des Mondes erschien.
    So faszinierend das Schauspiel am Firmament auch war, Skaia durfte keine Zeit verlieren. Sie musste noch einmal zurück. Mühsam ruckelte sie über den Sand, bis sie wieder in die Wogen eintauchen konnte. Auf jeder Seite ihres Körpers rollte ein Auge suchend hin und her. Die Rückenflosse zerteilte die Wasseroberfläche.
    Vom Eisberg war nichts geblieben. Nur an der spürbar sinkenden Temperatur merkte Skaia, dass sie auf die richtige Stelle zusteuerte. Mit der Kälte wuchs auch die Ahnung, dass Yaho hier nicht überlebt haben konnte. Als erstes sah sie den Mohr im Wasser treiben. Er wirkte nicht mehr so steif. Und auch sein strenges Gesicht hatte sich entspannt. Mit offenen Augen schien er in unendliche Tiefen zu blicken. Eine der Damen, die vorbeigetrieben wurde, stieß mit einem Fuß gegen seinen Kopf, bevor sie mit ihrer wallenden Robe daran hängen blieb. Die beiden anderen Frauenkörper fanden sich ein Stück weiter. Ihre Arme hingen nach unten, als griffen sie nach ihrem nassen Grab. Der Wirrwarr ihrer offenen Haare gab wenig von ihren bleichen Gesichtern frei.
    Aber wo war Yaho? Hätte er den Sonnenkreis selbst behalten, würde nun er als Riesenfisch das einstige Reich der Königin durchschwimmen und den entseelten Hofstaat betrachten können. Und L’una, die Königin der Nacht? Sie war wohl aufgegangen in der Maßlosigkeit des Meeres.
    Skaia spürte den Sauerstoff, den ihre Kiemen aus dem Wasser zogen. Mit schlagender Schwanzflosse durchschwamm sie den weiteren Umkreis. Sie tauchte auch in die Tiefe. Die Dunkelheit schreckte sie nicht. Doch je mehr sie sich von der Wasseroberfläche entfernte und je ausgreifender ihre Runden gerieten, desto klarer wurde die Gewissheit: Yaho war versunken in der klammen Nacht des Meeres.
    Skaia schwamm zurück zum Ufer. Nicht weit von dem Platz, an dem sie Mikolo abgesetzt hatte, dümpelte die Holztonne. Die Decken, die sich vollgesogen hatten, zogen sie beinahe unter die Wasseroberfläche. Behutsam schob Skaia das Fass vor sich her. Keiner der darin bewahrten Schätze sollte verloren gehen. Erst an Land kippte Skaia das Fass aus.
    Sie griff sofort nach einer der Decken. Wieder war die Verwandlung blitzschnell gegangen. Wie froh konnte sie sein, das Fass mit den Kleidern gefunden zu

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