Prinzessin oder Erbse
»Bitte, jetzt sag doch etwas.« Verständnislos sehe ich ihn an. Was soll ich? Etwas sagen? Wie stellt er sich das vor? Ich bin vollkommen überwältigt. Wochen und Wochen habe ich geweint und nun steht er vor mir und will mich zurückhaben. Vier Tage, nachdem ich dieses alberne Märchen geschrieben habe. Fehlt nur noch, dass gleich eine schimmernde Perle in den weißen Sand fällt. Unauffällig suche ich mit den Augen den Boden ab, sehe aber nur ein paar Muscheln. Die ganze Situation ist doch völlig absurd. Wahrscheinlich träume ich all das nur. Vielleicht sollte ich David schnell küssen, bevor ich aufwache, aber in diesem Moment lässt er meine Hand los und tritt einen kleinen Schritt zurück. »Du willst nicht mit mir reden, das habe ich wohl verdient.« Ich schüttele den Kopf, bringe aber nach wie vor kein Wort heraus. »Vielleicht brauchst du ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken? « Hoffnungsvoll sieht er mich an, und ich wiege den Kopf hin und her, was er wohl als Zustimmung interpretiert. »Das kann ich gut verstehen. Ich hätte dich nicht so überfallen dürfen. Nächsten Freitag findet so ein Wohltätigkeitsball im Atlantik-Hotel statt, und ich würde gerne mit dir dort hingehen. So ganz offiziell, weißt du? Keine Heimlichkeiten mehr.« Sein angedeutetes Lächeln erstirbt, als ich nicht reagiere, und er fährt eilig fort: »Du musst dich nicht jetzt entscheiden. Ich werde am Freitag um sieben zu dir kommen, um dich abzuholen. Und falls du keine Lust hast, dann machst du einfach nicht auf. Also, ich würde es verstehen, wenn du nicht mitkommst, aber, also …« Er sieht mich unsicher an. »Ich würde mich wirklich freuen.« Noch immer
reagiere ich nicht, sondern sehe ihm einfach nur dabei zu, wie er sich rückwärts gehend in kleinen Schritten von mir wegbewegt. »Am Freitag um sieben. Bitte!«, ruft er noch einmal, als er schon zehn Meter von mir entfernt ist, dann dreht er sich um und läuft schnell den Strand entlang. Ich stehe noch eine Weile da und beobachte, wie er kleiner und immer kleiner wird, dann setze ich mich in meinen Strandkorb und warte darauf, dass ich aufwache.
»Wo ist denn David?« Ich sehe zu Julia hoch, die mit nassen Haaren vor mir steht und sich schüttelt, dass die Wassertropfen nur so fliegen.
»Wie meinst du das denn jetzt?«
»Na, David, wo ist er?« Sie schnappt sich mein rotes Badelaken. »Ich darf doch?«
»Moment mal, du willst mir sagen, dass das kein Traum war? Ihr habt David wirklich mitgebracht? Und er will mich zurück?«
»Fanny, geht es dir nicht gut?« Felix fühlt besorgt meine Stirn und wiegt bedenklich den Kopf. »Vielleicht ein Sonnenstich.«
»Quatsch.« Brüsk schiebe ich seine Hand weg. »Ich trage schon seit Tagen diesen Deckel und sitze sowieso nur im Schatten. Ihr wollt mir also wirklich sagen, dass das keine Halluzination war und dass David mich zurückhaben will?« Sie nicken im Chor.
»David hat mich die ganze Woche belagert, um rauszufinden, wo du steckst. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass du dich freuen würdest, ihn zu sehen. Hast du?«
»Was?«
»Dich gefreut?« Ich zucke die Schultern.
»Ich weiß nicht.« In diesem Moment piepst es in meiner Tasche, und ich hole mein Handy hervor.
WAS ICH NOCH SAGEN WOLLTE: ICH LIEBE DICH. DAVID.
Verstört starre ich auf die Nachricht, während Julia mich weiter über das Gespräch mit David löchert, was in meiner Erinnerung allerdings reichlich schemenhaft erscheint.
»Er will mit mir zu einem Wohltätigkeitsball gehen. Ganz offiziell. Als Paar«, sage ich schließlich, und Julia klatscht aufgeregt in die Hände.
»Und? Was hast du gesagt?«
»Nichts.«
»Wie? Nichts? Willst du da etwa nicht hingehen?«
»Doch, natürlich, schon. Aber ich war einfach so perplex.«
»Na, ist doch prima. Hast du ihr nicht immer gepredigt, dass sie David zappeln lassen soll?«, fragt Felix grinsend, quetscht sich neben mich in den Strandkorb und legt einen Arm um mich. »Ich bin jedenfalls sehr stolz auf dich.«
Am Freitagnachmittag der nächsten Woche bin ich ein Nervenbündel. Nicht mal geschrieben habe ich heute, obwohl mein neuer Roman in den letzten Tagen gut vorangeschritten ist und ich gestern das vierte Kapitel vollendet habe. Aber heute ist nicht daran zu denken. Seit Stunden ist Julia damit beschäftigt, mich in eine Prinzessin zu verwandeln. Ganz besonders hilft dabei
das neue bodenlange Kleid aus cremefarbener Seide, das gestern von einem Boten geliefert wurde. »Bitte
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