Prinzessin oder Erbse
Lust mehr. Flüchtig überfliege ich die Zeilen, es wird schon alles seine Richtigkeit haben. Ich angele mir einen Kugelschreiber vom Schreibtisch und setze schwungvoll meine Unterschrift auf die dafür vorgesehene Zeile. Dann tapse ich in Richtung Badezimmer.
Als ich aus der Dusche steige, sehe ich kritisch an
meinem Körper herab und was ich sehe, gefällt mir nicht. Waren meine Oberschenkel eigentlich immer schon so – wellig? Ich greife die Haut mit beiden Händen und drücke sie leicht zusammen. Das hätte ich vielleicht lieber bleiben lassen sollen, kein besonders schöner Anblick. Kurz entschlossen wühle ich in unserem Badezimmerschrank herum, bis ich gefunden habe, was ich suche: einen Luffahandschuh. Mit Feuereifer schrubbe ich meinen Körper, bis er knallrot ist. Die Orangenhaut ist immer noch da. Vielleicht könnte man sie jetzt als Pink Grapefruit bezeichnen. Zurück in meinem Zimmer probiere ich ein Outfit nach dem nächsten an. Nichts sieht wirklich gut aus. Mein Hintern ist einfach zu breit, die Haut zu blass, die Haare zu störrisch. Es ist so ungerecht. Frustriert entscheide ich mich schließlich für das kleinste Übel, meine Lieblingsjeans, die zwar mein gebärfreudiges Becken nicht kaschieren kann, den Hintern aber sehr viel knackiger erscheinen lässt, als er eigentlich ist, dazu eine weiße, taillierte Bluse, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wieder vollkleckere. Dazu Stiefel mit hohem Absatz, obwohl ich jetzt schon weiß, dass mir heute Abend die Füße wehtun werden. Kritisch betrachte ich mich im Spiegel. Irgendwie sehe ich immer noch unvorteilhaft aus. Wie eine Schlange, die ein Kaninchen verschluckt hat. Missmutig werfe ich einen Blick aus dem Fenster und stelle fest, dass es draußen anscheinend ein bisschen wärmer geworden ist. Es nieselt, und die weiße Schneedecke hat sich in einen grauen Matsch verwandelt. Um nicht wie ein umgedrehter Wischmopp auszusehen, nehme ich meine noch feuchten Haare in einem strengen Dutt zusammen und gebe eine geschätzte Tonne Haarspray darüber. Das ist
einfach ungerecht. Warum gibt es auf der einen Seite Frauen wie Nadja Reichert, die von oben bis unten einfach nur perfekt sind, und auf der anderen Seite Frauen wie, nun ja, mich?
Um Punkt acht Uhr betrete ich Matthias’ Büro, dessen Tür sperrangelweit offen steht. Von ihm selber ist nichts zu sehen. Ein wenig ratlos sehe ich mich um und stelle dann meine Tasche auf den kleinen Schreibtisch in der Ecke. Als ich meine Jacke über den Stuhl hänge, kommt Matthias mit zwei Bechern Kaffee herein.
»Sie sind pünktlich, das gefällt mir.«
»Guten Morgen.«
»Morgen. Haben Sie den Vertrag unterschrieben?« Ich nicke und reiche ihn ihm. »Sehr gut, der geht dann gleich an die Personalabteilung. Und jetzt, wo ich Ihre Unterschrift habe, mache ich Sie zunächst mal mit einer Ihrer wichtigsten Aufgaben vertraut. Denn ab morgen bringen Sie mir den Kaffee und nicht umgekehrt.« Grinsend hält er mir die Tasse hin, und ich blinzele zu ihm auf, nicht sicher, ob er mich auf den Arm nehmen will. »Keine Sorge, Sie werden noch eine Menge anderer Dinge zu tun bekommen. Sie werden die Teilnahme unserer Darsteller an Veranstaltungen koordinieren, Pressemitteilungen verfassen, Kontakte zu Journalisten aufbauen und pflegen und noch einiges mehr. Aber da Ihr Chef ein Koffein-Junkie ist, kann es nicht schaden, wenn Sie sich mit der Kaffeemaschine auskennen.« Er winkt mir, ihm zu folgen.
»Sehr gut«, lobt er, nachdem ich unter seinem kritischen Auge einen Latte-Macchiato mit dreifachem Espresso zubereitet habe, »und bevor wir wieder ins
Büro gehen, möchte ich Sie wenigstens mit unseren beiden Hauptdarstellern bekanntmachen, bevor der Alltagsstress beginnt. Alle anderen lernen Sie dann nach und nach kennen.« Sofort beschleunigt sich mein Herzschlag.
»Ähm, okay«, murmele ich und sehe staunend zu, wie er seinen Kaffee in einem Zug zur Hälfte leert. Ganz offensichtlich hat er mit seiner Koffeinabhängigkeit nicht übertrieben.
»Also dann, wir müssten sie noch beim Umziehen erwischen. Kostüm und Maske sind hier im Gebäude im ersten Stock, genauso wie die Schauspielergarderoben.« Während ich versuche, mit Matthias Schritt zu halten, der mit seinen langen Beinen ein ziemliches Tempo vorlegt, wappne ich mich innerlich für den Anblick von David Mory.
Als wir jedoch im ersten Stockwerk durch den mit blauem Teppich ausgelegten Gang zur Kostümabteilung gehen, treffen wir dort zunächst einmal auf sein
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