Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prinzessin oder Erbse

Prinzessin oder Erbse

Titel: Prinzessin oder Erbse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
Vom Netzwerk:
ich eine Entscheidung treffen kann, stößt Nadja einen markerschütternden Schrei aus und zeigt in Richtung der hohen Fensterfront. Ich folge ihrem Blick. Dort steht ein junger schlaksiger Mann in einem dunkelgrünen Overall auf einer Leiter, zieht mit seinem Lappen Schaumkreise über das Fenster und starrt die halbnackte Nadja mit offenem Mund an. Als wir alle gleichzeitig in seine Richtung starren, zuckt er ertappt zurück. Dabei verliert er das Gleichgewicht, sein Gesicht nimmt einen entsetzten Ausdruck an. Sekundenlang rudert er mit den Armen wild durch die Luft, um dann mit einem Aufschrei in die Tiefe zu stürzen.
    »Ein Spanner. Matthias, hatte er eine Kamera dabei? «
    »Ich denke nicht, das war der Fensterputzer.« Nadja schaut entsetzt an sich herunter und fängt an zu weinen. Erschrocken sehen wir anderen sie an. Ich kann förmlich Matthias’ Gedanken lesen, dass er eigentlich tröstend den Arm um sie legen möchte, sich aber aufgrund ihrer Nacktheit nicht traut. So stehen wir betreten und hilflos da, bis endlich der Retter erscheint. Natürlich in Form von David, der aus seiner Umkleide tritt und Nadja in die Arme zieht.
    »Süße, was ist denn mit dir los?«, flüstert er ihr ins Ohr, und es versetzt mir einen Stich. Er streichelt ihr beruhigend
über die Haare. »Schon gut, schon gut. Könnten wir kurz ein bisschen Privatsphäre haben?«
    »Natürlich.« Froh, dem Drama zu entkommen, stürzt Marion förmlich aus der Garderobe, gefolgt von Matthias und mir, die ich meinen Blick nur schwer von dem Paar losreißen kann, das da so innig verschlungen beieinandersteht.
    »Sollte nicht jemand nach dem Fensterputzer schauen«, erkundige ich mich, nachdem die Tür hinter uns zugefallen ist.
    »Machen Sie das«, befiehlt Matthias knapp, »und falls er eine Kamera dabeihatte, nehmen Sie sie ihm ab.«
    »Ja, okay.« Verwirrt mache ich mich auf den Weg nach unten. Sind denn hier alle vollkommen verrückt? Da ist eben ein Mensch von einer Leiter gestürzt und alles, was meinen Boss interessiert, ist, ob er möglicherweise ein Foto von Nadja geschossen hat. Was für ein Glück, dass die Kostümabteilung im ersten Stock liegt, denke ich, während ich eilig die Stufen hinunterrenne. So kann der Sturz eigentlich nicht allzu tragisch gewesen sein. Trotzdem wappne ich mich innerlich, den Fensterputzer möglicherweise mit gebrochenem Genick im Blumenbeet liegen zu sehen. Doch als ich am Unfallort ankomme, rappelt er sich glücklicherweise bereits aus eigener Kraft wieder auf und klaubt sich einige Grashalme aus dem verstrubbelten, dunkelblonden Haar.
    »Ist alles okay?« Ich helfe ihm dabei, seine Fensterputzutensilien, die verstreut umherliegen, zusammenzusuchen.
    »Ja, schon gut.«
    »Bist du sicher?«
    »Aber ja.« Er grinst mich an. »Es war den Sturz wert.«
Irritiert sehe ich ihn an. Dann kapiere ich, was er meint, und bin noch irritierter. »Oh, Entschuldigung«, sagt mein Gegenüber und wirkt aufrichtig bestürzt. »So etwas sagt man wohl nicht zu einer Dame.«
    »Ach, schon gut«, winke ich großmütig ab.
    »Ich finde sie nur so wahnsinnig schön. Ist sie nicht schön? Es klingt blöd, aber wenn ich sie sehe, dann ist es, als würde sie sich in Zeitlupe bewegen. Weißt du, was ich meine?« Und ob ich weiß, was er meint, ziemlich gut sogar.
    »Ja, ich weiß, was du meinst«, seufze ich, und er seufzt mindestens ebenso tief. »Na dann, wenn du so weit okay bist.«
    »Ja, ich bin okay. Mehr als okay.« Ist ja gut. »Ich bin übrigens Felix.« Er streckt mir die Hand entgegen.
    »Fanny«, stelle ich mich vor, und er lacht.
    »Das ist ja ein witziger Name.« Ja, ich weiß, sie ist schön, und mein Name ist witzig. Sonst noch was?
    »Danke«, knurre ich. »Kann ich meine Hand wiederhaben? «
    »Es war wirklich nett, dass du dir die Mühe gemacht hast, nach mir zu schauen. Vielen Dank!«
    »Gern geschehen. Ich muss jetzt wieder nach oben. Ist mein erster Tag heute.« Er nickt und lässt meine Hand los.
    »Habe ich mir gedacht, du wärest mir bestimmt aufgefallen. « Ich lächele geschmeichelt. »Fanny?«
    »Ja?«
    »Würdest du Nadja ausrichten, dass es mir leidtut?«
    »Na klar, das mache ich«, stimme ich zu, obwohl ich nicht weiß, ob der Drache nicht möglicherweise dem Boten den Kopf abreißen wird.

    »Danke.« Er strahlt wie ein Honigkuchenpferd. In diesem Moment fällt mir plötzlich Matthias’ Auftrag wieder ein, und ich lasse meine Augen so unauffällig wie möglich über Felix und seine Ausrüstung

Weitere Kostenlose Bücher