Prinzessin oder Erbse
ihr sehr viel niedlichere Babys bekommt, als er das mit mir jemals könnte.«
»Dir ist schon klar, dass du das jetzt alles beim Universum bestellt hast?« Julia zieht eine Schnute. »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass deine Worte und Gedanken dein Leben bestimmen? Du bist viel zu pessimistisch.«
»Wieder falsch. Nur realistisch!« Kopfschüttelnd sehen wir einander an. Es stimmt schon, in unserer ganzen
Lebensanschauung sind wir uns nicht allzu ähnlich. Aber schließlich sind wir schon seit der Grundschule die besten Freundinnen, und das schweißt mehr zusammen als irgendwelche Gemeinsamkeiten. Außerdem bewundere ich Julia für ihre stets positive, leicht esoterisch angehauchte Einstellung. Nur manchmal geht sie mir damit auf die Nerven. Jetzt gerade zum Beispiel.
»Also sind die beiden wirklich ein Paar?«, fragt Julia enttäuscht.
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Wie bitte?« Entrüstet lässt sie den Kochlöffel in die Pastasauce fallen, dass es nur so spritzt, und stemmt die Hände in die Hüften. »Du willst mir doch nicht sagen, dass diese Verschwiegenheitserklärung auch für mich gilt.« Sie sieht so empört aus, dass ich lachen muss. »Verschwiegenheitserklärungen gelten nicht für den Partner, die beste Freundin und Mitbewohner.«
»Ach ja? Wo hast du das denn her?«
»Komm schon«, verlegt sie sich auf eine andere Schiene, »du kannst doch nicht bei ›Liebe à la carte‹ arbeiten und mir nichts erzählen. Das kannst du mir nicht antun. «
»Im Moment weiß ich sowieso noch nicht mehr als du.«
»Das ist doch gelogen«, sagt sie und schiebt gespielt beleidigt die Unterlippe vor.
»Ich weiß nur, was in den Klatschblättern steht, und das muss nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Die erzählt mir der Chef erst, wenn ich alle Folgen gesehen habe.«
»Na, dann nichts wie los!«
Es ist bereits nach zwölf, als wir uns endlich vom Fernseher
losreißen und müde ins Bett wanken. Ich muss zugeben, dass ich »Liebe à la carte« zu Unrecht als Schund abgetan habe. Wer hätte gedacht, dass eine Telenovela so unterhaltsam sein kann? Klar hat die Serie nicht das Rad neu erfunden, die Story ist ziemlich vorhersehbar, aber irgendwie hat die Sache einen höchst amüsanten selbstironischen Touch. Alles ist ein bisschen überspitzt, als würden sich sämtliche Beteiligten, vom Autor über den Regisseur bis zu den Schauspielern, selbst auf die Schippe nehmen, weil sie in die moderne Fernsehlandschaft ein dermaßen kitschiges Märchen hineininszenieren. Ich freue mich schon richtig darauf, morgen Abend weiterzugucken.
In dieser Nacht träume ich von David. Hand in Hand stehen wir am Alsterufer und schauen auf das Wasser. Alles ist friedlich, und ich bin unbeschreiblich glücklich. Nichts ist zu hören als ein leises Plätschern und Vögel, die zwitschernd in den Bäumen sitzen. Dann plötzlich ertönt ein lautes Brummen und Summen, als würde ein Hornissenschwarm herannahen. Erschrocken sehe ich in den Himmel über uns, doch dort ist nichts zu sehen. »David«, flüstere ich. Er lächelt mich breit an und wendet mir dann den Rücken zu. Und dann sehe ich sie. Es sind Hunderte. Tausende. Schöne Frauen mit langen Beinen und wehenden Haaren. Sie kommen aus allen Richtungen und stürmen ungebremst auf uns zu. Besser gesagt, auf David. Sie stürzen sich auf ihn, ich werde einfach zur Seite gestoßen. Meine Hand gleitet aus seiner, ich verliere das Gleichgewicht und falle mit einem Aufschrei nach hinten. Gleich, jeden Augenblick müsste das kalte Wasser der Alster über mir zusammenschlagen, aber ich falle nur tiefer und immer tiefer …
Schweißgebadet schrecke ich hoch und sehe auf die Uhr. Viertel vor sechs. Da ich sowieso gleich aufstehen muss, lohnt es sich nicht, mich noch einmal umzudrehen. Stattdessen schleppe ich mich in die Küche, schalte die Espressomaschine an und stelle einen Topf Milch auf den Herd, wobei ich versuche, die verrußte Wand dahinter möglichst zu ignorieren. Während ich meinen Milchkaffee schlürfe und die Lebensgeister langsam erwachen, versuche ich, das unangenehme Gefühl, das mein Traum in mir hinterlassen hat, abzuschütteln. Um die Botschaft meines Unterbewussten zu deuten, brauche ich nicht einmal Julia, die sich mit solchen Sachen um einiges besser auskennt. Ich muss mir David aus dem Kopf schlagen, es sei denn, ich möchte den Kampf mit sämtlichen schönen Frauen dieser Welt aufnehmen. Das ist mir wirklich zu anstrengend. Ganz davon abgesehen, dass ich
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