Prinzessin oder Erbse
Beispiel dran nehmen. Als wir in den Gang einbiegen, in dem das Pressebüro liegt, bleibt Felix vor einem Porträt von Nadja stehen und seufzt verzückt. Ich nutze die Gelegenheit, um Davids Bild, das direkt neben Nadjas hängt, zu betrachten. Eine Weile stehen wir so da, bis Felix versonnen sagt: »Wenn uns jetzt jemand sehen könnte.« Erschrocken sehe ich mich um. Er hat Recht. Wir stehen hier wie zwei verknallte Teenager, während jeden Moment mein Chef um die Ecke biegen könnte. Oder noch schlimmer: David und Nadja. Ich fasse Felix am Arm und zerre ihn hinter mir her in unser Büro. Die Tür ist nur angelehnt, Matthias sitzt nicht an seinem Platz. Vermutlich holt er sich den zehnten Kaffee des Tages. Neugierig lässt Felix seinen Blick durch den Raum schweifen und bleibt dann an dem Altpapierstapel hängen.
»Und das wolltest du alles alleine zum Container schleppen?«
»Von Wollen kann gar keine Rede sein«, sage ich grimmig.
»Na, jetzt bin ich ja da. Lass mich das mal machen.«
Er greift sich einen riesigen Stapel Zeitschriften. »Mach ruhig weiter mit deinem Kram. Ich bin gleich wieder da.«
»Nein, warte, ich helfe dir natürlich.«
»Wenn du zehn Zeitschriften trägst, bist du sowieso keine große Hilfe«, grinst er. »Setz dich hin, ruh dich aus und lass das einen Mann machen!« Schon ist er aus der Tür.
Eine Viertelstunde später ist das Altpapier entsorgt, und Felix sieht nicht einmal besonders angestrengt aus.
»Vielen, vielen Dank«, sage ich. »Wie kann ich das jemals wiedergutmachen?«
»Ach, lass mal, gern geschehen.«
»Nein, wirklich, kann ich nicht irgendwas …?« Ratlos sehe ich mich im Büro um, bis mein Blick an dem Regal mit den Autogrammkarten der Schauspieler hängen bleibt. »Hier.« Ich reiche ihm Nadjas Bild, auf dem sie mit schnörkeliger Handschrift unterschrieben hat. »Willst du?« Seine Augen leuchten auf.
»Ist der Papst katholisch?«, fragt er zurück und nimmt die Karte entgegen. Genau in diesem Moment öffnet sich die Tür und herein kommt, gefolgt von Matthias, Nadja. Mit offenem Mund starrt Felix sie an.
»Hallo.« Sie schenkt ihm ein strahlendes Lächeln. »Hallo, Fanny.« Ganz offensichtlich hat sie ihn nicht wiedererkannt.
»Hallo, Nadja«, grüße ich zurück, während Felix um seine Fassung ringt.
»Hallo«, bringt er dann einigermaßen flüssig heraus.
»Darf ich fragen, was Sie hier machen?«, erkundigt sich mein Chef streng.
»Felix ist ein Bekannter von mir und … ich habe ihm gerade eine Autogrammkarte von Nadja gegeben.«
»Oh.« Nadjas Lächeln wird noch breiter. »Möchtest du eine persönliche Widmung?«
»Äh, gerne, wenn es keine Umstände macht.« Nadja nimmt ihm die Autogrammkarte aus der Hand und greift sich einen Stift von Matthias’ Schreibtisch. »Für Felix, richtig?«
»Ja, genau.«
»Hier, bitte schön.«
»Danke.« Er presst die Karte an seine Brust und lächelt entrückt. Ich nehme mir vor, diesen Anblick in meinem Gedächtnis zu speichern. Und alles, wirklich alles daran zu setzen, David nie, nie wieder auf diese Weise anzuschauen.
»Wollten Sie sonst noch etwas?« Ich werfe Matthias einen bösen Blick zu. Wie kann man nur so unfreundlich sein?
»Nein, danke, das war alles«, antwortet Felix, ohne den Blick von Nadja abzuwenden.
»Also dann, alles Gute, Felix.« Sie hält ihm ihre schlanke Hand hin. Keine Kellnerin der Welt hat dermaßen perfekt manikürte Fingernägel, denke ich, während Felix sie so vorsichtig umfasst, als sei sie aus Porzellan. Weil er auch nach den gesellschaftlich akzeptierten vier Sekunden keine Anstalten macht, sie loszulassen, fasse ich ihn unterm Arm und sage betont munter: »Also, dann bringe ich dich mal wieder raus. Bis später!« Gehorsam lässt er sich von mir abführen.
»Geht’s wieder?«, erkundige ich mich sanft, als wir gemeinsam aus dem Gebäude treten. Felix schüttelt sich
wie ein nasser Hund und sieht ziemlich verwirrt aus. Dann schaut er auf das Foto in seiner Hand. FÜR FELIX ALLES LIEBE, hat Nadja darauf geschrieben.
»Ich brauche definitiv Hilfe. Das ist nicht normal.« Aus der Tasche seines Overalls zieht er ein Fläschchen Rescuetropfen hervor, die er sich unter die Zunge träufelt. In diesem Moment piepst das Handy in meiner Rocktasche.
ICH MACHE LASAGNE. KANNST DU NE FLASCHE ROTWEIN MITBRINGEN? DANKE! J.
»Was machst du heute Abend?«, frage ich Felix spontan. »Meine Mitbewohnerin macht die weltbeste Lasagne, und damit hauen wir uns vor den Fernseher und schauen
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