Prinzessin oder Erbse
habe.
»Und was macht der Roman jetzt hier bei dir?«
»Julia hat ihn mir ausgeliehen, damit ich ihn lesen kann. Und sie hat mir das Versprechen abgenommen, dass du davon nichts mitbekommen würdest.« Er zieht eine Grimasse. »Na, das hat ja gut funktioniert.«
»Und? Hast du?«
»Habe ich was?«
»Ihn gelesen?« Ich bemühe mich, meiner Stimme einen neutralen Klang zu verleihen.
»Natürlich. Was denkst du denn?« Schweigend sehe ich ihn an, die Lippen fest aufeinandergepresst. Ich werde ihn nicht fragen, wie er ihn fand. Wenn er mir etwas zu sagen hat, wird er das schon von sich aus tun. Das Herz klopft mir bis zum Hals, und plötzlich bemerke ich, dass ich zu atmen aufgehört habe. Keuchend ringe ich nach Luft. »Fanny, was ist los? Alles in Ordnung?«
»Alles bestens«, japse ich. »Komm, lass uns essen.«
»Willst du gar nicht meine Meinung hören?«
»Ich weiß nicht. Will ich?« Er nimmt meine Hände in seine und sieht mir fest in die Augen. Oje, mir schwant Böses. »So schlimm?« Ich lache nervös.
»Fanny, der Roman ist einfach toll.«
»Aaaaber?«
»Nichts aber. Er ist unterhaltsam, fesselnd und berührend. Ich habe mir zwei Nächte damit um die Ohren geschlagen, weil ich einfach nicht aufhören konnte.«
»Ach? Hattest du etwa deswegen so wenig Zeit in der letzten Woche?« Mir hatte er gesagt, er muss zum Sport und hätte auch sonst einfach viel zu tun.
»Na ja, auch.« Er weicht meinem Blick aus, wodurch ich gleich wieder ein komisches Gefühl in der Magengegend bekomme. Seit der Filmpremiere haben wir uns nämlich kaum gesehen, und irgendwie habe ich Angst, dass ich ihn durch mein Benehmen nachhaltig abgeschreckt habe. Er geht gerade definitiv auf Abstand. »Es ist ein ganz großartiger Roman. Und du solltest ihn dringend veröffentlichen.« Als ob das so einfach wäre. Plötzlich kommen all die Erinnerungen wieder hoch, die ich so tief in mir vergraben habe, die Enttäuschungen und Rückschläge, mein Rauswurf aus der Agentur.
»Hör auf damit!«, sage ich brüsk. »Kann ich jetzt endlich was zu essen haben?« Erstaunt sieht er mich an und reicht mir dann den Teller mit den Bratnudeln. Wütend stoße ich meine Gabel hinein.
»Was ist denn los? Warum bist du so sauer?«
»Weil du keine Ahnung hast, was du da redest. Veröffentlichen, ja, ist schon klar. Es ist nicht jeder ein Soapstar, der nur irgendwas ins Mikro trällern muss und schon kauft es die ganze Welt.« Kaum ist mir das rausgerutscht, möchte ich mir am liebsten die Zunge abbeißen. Was rede ich denn da? Jetzt habe ich David bestimmt zutiefst beleidigt, und richtig, seine dunklen Augenbrauen ziehen sich zusammen und es entsteht wieder diese tiefe Falte dazwischen, die anzeigt, dass er sauer ist.
»Du irrst dich. Ich bin mir durchaus bewusst, wie schwer es für einen Künstler ist, in seinem Gebiet Fuß zu fassen. Falls du dich erinnern kannst, ich bin schon seit fünfzehn Jahren Musiker.«
»Ja, ich …«, will ich einlenken, aber er schneidet mir das Wort ab.
»Und meinen derzeitigen Bekanntheitsgrad zu nutzen, um meine Musik zu verkaufen, war deine Idee. Nicht meine. Ich wäre dir also dankbar, wenn du das jetzt nicht gegen mich verwenden würdest. Wobei ich sowieso nicht ganz verstehe, warum du anfängst, um dich zu schlagen, nachdem ich dir gerade gesagt habe, dass ich dich für eine großartige Schriftstellerin halte.« Ich verstehe mich selber nicht.
»Tut mir leid«, piepse ich.
»Ja, ja, schon gut.« Er greift nach seinem Teller, setzt sich damit auf den Fußboden, mit dem Rücken ans Bett gelehnt, und schlingt die Ente in sich hinein, während ich betreten auf ihn hinuntersehe. Warum streiten wir uns in letzter Zeit eigentlich dauernd? Minutenlang herrscht eisiges Schweigen, lustlos stochere ich in meinen Nudeln herum, bis ich es schließlich nicht mehr aushalte und mich neben David auf den Fußboden setze.
»Es tut mir wirklich leid«, wiederhole ich, und er nickt. »Nein, wirklich. Es tut mir ganz ehrlich und furchtbar leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Sobald das Thema aufs Schreiben kommt, bin ich einfach furchtbar …«
»… zickig?«
»Ich wollte eigentlich sagen empfindlich, aber deins passt auch«, gebe ich zerknirscht zu. Sein linker Mundwinkel zuckt leicht nach oben, ein amüsierter Ausdruck tritt in seine Augen.
»Schon gut, du kleine Zicke!«
»Ehrlich?«
»Ehrlich.« Ich küsse ihn, um zu überprüfen, ob er das ernst meint, aber er scheint wirklich nicht mehr sauer
zu sein.
Weitere Kostenlose Bücher