Prinzessin oder Erbse
beginnt vor lauter Vorfreude, schneller zu schlagen. Lag mein Glück möglicherweise tatsächlich die ganze Zeit über viel näher, als ich dachte? Werden wir uns heute das tausendunderste Mal berühren und es wird Zoom machen? Wird die Welt um uns herum versinken? Entschlossen spucke ich den durchgekauten Kaugummi in mein Glas und halte es dann Felix hin, der es mir nachmacht.
»Also dann. Wollen wir?« Wir fassen uns an den Händen und sehen uns konzentriert in die Augen. Neigen uns einander zu, er legt seinen Kopf ein wenig nach links, ich lege meinen ein wenig nach rechts. So weit, so gut. Immer näher kommt sein Gesicht, schließlich trennen unsere Lippen nur noch wenige Millimeter voneinander, bis unsere Münder sich schließlich berühren.
Seine Lippen fühlen sich weich und warm an und riechen nach Pfefferminz. Er presst sie auf meine und für mehrere Sekunden scheint es irgendwie nicht weiterzugehen. Wir sitzen auf unseren wackeligen Barhockern, gegeneinander gelehnt und an den Lippen zusammengeklebt, und scheinen nun beide nicht zu wissen, was weiter zu tun ist. Schließlich gebe ich mir einen Ruck und öffne den Mund ein wenig, und prompt erwacht auch Felix aus seiner Starre. Er rutscht von seinem Hocker herunter, nimmt mein Gesicht in beide Hände, und schon spüre ich seine Zunge, die meinen Mund zu erforschen beginnt. Und ich muss sagen, dass er das gar nicht schlecht macht. Wirklich nicht übel. Leider bin ich so betrunken, dass mir schwindelig wird, wenn ich die Augen zu lange geschlossen halte, also mache ich sie lieber wieder auf. Ich kann mich nicht erinnern, jemals mit
geöffneten Augen geküsst zu haben. Es ist ein wenig merkwürdig, aber irgendwie auch schön, Felix geschlossene Augen mit dem dichten, dunklen Wimpernkranz zu beobachten. Mir fällt auf, dass meine Hände, nachdem er sie losgelassen hat, nutzlos an mir herunterhängen, und ich überlege, was ich damit wohl tun könnte. Sie im Gegenzug auch an seine Wangen zu legen wäre einfallslos. Ich könnte vielleicht eine Hand auf seine Brust legen, die andere an seine Hüfte. Er fühlt sich gut an. Sehr schlank, aber dabei irgendwie drahtig. In diesem Moment heben sich seine Augenlider, und er sieht mich mit seinen braunen Augen an. Mitten im Kuss halten wir inne.
»Küsst du immer mit offenen Augen?«, fragt er etwas befremdet, und ich schüttele vehement den Kopf.
»Hab sie gerade erst aufgemacht.« Ich kann ja schlecht sagen, dass mir sonst übel wird.
»Und warum?«
»Ich wollte wissen, ob du sie zu hast.« Felix guckt zwar ein wenig skeptisch, gibt sich aber dann mit dieser Antwort zufrieden. Doch in diesem Moment fällt mir ein, dass es mein bester Freund ist, der da vor mir steht und ich ihn nicht belügen müssen sollte.
»Ich habe die Augen auf, weil ich betrunken bin und mir sonst schlecht wird«, gebe ich zu.
»Das kann ich verstehen. Mir ist auch ein bisschen mulmig zumute.« Noch immer hält er mein Gesicht in den Händen und grinst auf mich herunter.
»Ist es nicht toll, dass ich dir das einfach so sagen kann?«, frage ich begeistert, und er nickt.
»Ja, das ist toll.« Einen Moment lang sehen wir einander an. »Sollen wir noch mal?«
»Na klar, wieso nicht?« Wir küssen uns erneut. Er hat wirklich eine gute Technik, denke ich, während er mich an sich zieht. Da gibt es nichts dran zu meckern. Aber irgendwie will kein rechtes Kribbeln aufkommen. Wieso nicht? Wieso habe ich keine Schmetterlinge im Bauch? Felix und ich würden doch so fantastisch zusammenpassen. Wenn doch bloß während dieses technisch einwandfreien Kusses ein paar Funken zwischen uns hin-und herfliegen würden, denke ich verzweifelt, schlinge meine Arme um seinen Hals und verdoppele meine Bemühungen. Aber vergeblich. Nach einigen Minuten lösen wir uns voneinander, und Felix setzt sich zurück auf seinen Hocker. Besorgt sehe ich ihn von der Seite an. Was, wenn es bei ihm anders war? Wäre das möglich? Könnte er sich in mich verliebt haben, während mich dieser Kuss vollkommen kaltgelassen hat? Muss ich meinem besten Freund gleich das Herz brechen?
»Und?« Unsicher blinzelt er mich an.
»Na ja.«
»Stimmt, so würde ich das auch bezeichnen.« Er sieht plötzlich sehr erleichtert aus.
»Ehrlich?«, frage ich überrascht. »Du fandest es auch nicht umwerfend?«
»Ehrlich gesagt Nein.«
»Gott sei Dank.«
»Also, nichts gegen dich. Du bist eine ausgezeichnete Küsserin«, beeilt er sich zu sagen, und ich gebe das Kompliment gerne
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