Prinzessin
Stufen nach oben und nach unten. Nach vorn in die Stube. Nach hinten geht es hinaus in die Wirtschaftsteile des Gebäudes.
Es dunkelt rasch, sie muss sich beeilen. She tappt hinauf, durchsucht hastig die Zimmer. Staub, Zerfall, Verwahrlosung, Zeichen einer schon Ewigkeiten zurückliegenden Plünderung, aber keine Überraschungen, seien sie positiv oder negativ.
Runter in den Keller – nicht so alt wie das Gehöft selbst, nachträglich gegraben. Es sieht nicht viel anders aus als oben. Sie ist zufrieden, fürs Erste scheint das Haus gesichert zu sein.
Sie zieht die Haustür zu und begibt sich neuerlich in die Stube, um das Wetter dort auszusitzen. Morsche Möbel, fleckige Wände, eine zerfallende Küchenzeile. Die ehemaligen Bewohner hatten wohl versucht, dem alten Gebäude einen modernen Anstrich zu verleihen.
Aus dem Wetterleuchten erwächst ein bösartiger, schwarzer Sturm, knisternd, elektrisch geladen, summend, schnaubend, heulend wie ein Rudel Fleischfresser im Angesicht der in die Enge getriebenen Beute.
Unzählige Blitze zucken inmitten der Wolken, fahren zu Boden, bilden ein grell leuchtendes Netz, das zwischen Himmel und Erde gespannt wird, vergänglich, tödlich.
Wolkenfetzen huschen wie Spinnen umher, schwarze Wirbel entstehen, schicken Trichter wie klebrige Froschzungen zum Erdboden, vergehen, zerreißen, werden neu geboren. Dantes Inferno hat das Firmament in Beschlag genommen.
Donner, grollend wie eine Bestie mit einem Maul voller Reißzähne, knallend gleich dem Schmerzensschrei von Gestein im Angesicht seiner Sprengung, lässt das Fenster vibrieren. Sie blickt durch die scheppernden Scheiben. Das Dröhnen ist im Körper spürbar und bringt das Gebäude zum Beben.
Als Tropfen gegen das zerschrammte, von Rissen durchzogene Glas klatschen, zuckt sie zusammen. Dunkler, schwarzgrauer Regen. Asche, Ruß, Dreck, der aus der Atmosphäre geschwemmt wird, buchstäblich saurer Niederschlag. Er brennt auf der Haut, verätzt. Wenn er dir ins Auge spritzt, erblindest du.
Es ist gut, im Trockenen zu hocken.
Nachdem sie überzeugt ist, dass das Haus noch eine Weile stehen bleiben wird, entspannt sie sich. Bei Unwettern kann man nie sicher sein, ob sie nicht zulegen und die Erdoberfläche abschürfen wie ein Hobel.
Manchmal, in seltenen, aber regelmäßig wiederkehrenden Fällen, wird die Erde mehrere Meter tief abgetragen.
Eine derartige Katastrophe hat sie schon einmal miterlebt, und darauf verzichtet sie gern. Bisher hat sie nicht erkennen können, dass der Sturm das Potenzial hätte, so auszuarten.
Sollte es noch so kommen, wird sie es rechtzeitig wahrnehmen, selbst wenn sie das Unwetter nicht ständig beobachtet. Sie hat schließlich Ohren. Das Wetter verändert das Angesicht der Erde radikaler als je zuvor, schneller als es die pessimistischsten Prognosen vorausgesehen haben.
She wandert durch das Gebäude, begutachtet die Räume jetzt mit Sorgfalt.
Die Chancen sind gering, aber sie sucht nach irgendetwas, das für sie von Belang sein könnte.
Diesbezüglich wird sie nicht fündig, dafür entdeckt sie etwas anderes.
In einem Kämmerchen, dem sie bei der ersten, flüchtigen Durchsuchung kaum Aufmerksamkeit geschenkt hat, steht hinter der Tür ein Bett. Geschickt im toten Winkel platziert, wenn man den Raum nicht betritt.
Darauf liegt jemand und schläft.
Der Krach des Unwetters ist ohrenbetäubend, doch der Kerl lässt sich davon nicht aus dem Schlaf reißen. Er ruht seelenruhig auf einem Überwurf von zweifelhafter Sauberkeit und träumt, was auch immer das Unterbewusstsein für ihn parat hat.
Das Gepäck, einen zerschlissenen Rucksack und einen Schulterbeutel, hat er am Fußende der Flohkiste abgestellt, und eine zerschrammte Pistole ist neben dem Kopf auf dem wenig einladenden Polster positioniert.
Klassischer Fall. Er wollte kurz rasten und wurde vom Schlaf übermannt. Bequemlichkeit und scheinbare Sicherheit haben ihn eingelullt.
Zwar ist das Äußere absolut bedeutungslos, aber er sieht halbwegs normal aus und macht einen gepflegten Eindruck. Das weckt ein tiefer gehendes Interesse in ihr. Ein Kandidat für eine intime Begegnung?
She mustert ihn, überlegt, ob sie ihm die Waffe wegnehmen soll, entscheidet sich dagegen.
Hm, Moment mal . Sie schleicht schnell zurück nach unten, wühlt in ihrem Gepäck und holt eine kostbare Packung hervor, aus der sie eine Tablette rausdrückt, um sie mit einem Schluck Wasser zu sich zu nehmen.
Für alle Fälle. Man weiß ja nie . Sie verstaut ihren
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