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Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Benedikt
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sie reden, machte sich Notizen, von denen sie wusste, dass kein Mensch sie jemals lesen würde, die Schreiberin als allerletzte. Das Wohnzimmer besaß den Charme einer verblassten bürgerlichen Schönheit aus dunkler Eiche und Glas und passte somit zu seiner Bewohnerin. Auf einem Bord standen sechs, sieben Pokale, die längst nicht mehr glänzten. »Früher war Hanna eine so begabte Turnerin«, erklärte Elke Wollgast, die Carmens Blick gefolgt war, »was hätte alles aus ihr werden können. Aber mit dreizehn hatte sie plötzlich keine Lust mehr. Pubertät und so, können Sie sich ja vorstellen. Spagat kann sie aber immer noch.«
    »Die Polizei soll ihren Laptop mitgenommen haben. Wissen Sie warum?« Elke Wollgast tat empört. »Wie bei einer Verbrecherin! Mir haben die nichts gesagt, das heißt doch, das würden sie immer machen, Routine. Und in ihrem Zimmer rumgeschnüffelt, in ihrem Kleiderschrank, in der Unterwäsche!« Sie stand auf. »Kommen Sie ruhig mal mit, es sieht alles noch so aus wie gestern, als die da waren. Ein einziges Chaos! Das sollten Sie mal fotografieren!«
    Sie stiegen eine Treppe hoch zu Hannas Zimmer. Tatsächlich sah es dort aus wie nach einem Einbruch. »Unverschämtheit!« erregte sich die Mutter weiterhin. Wenn man die Unordnung ignorierte, befand man sich in einem ganz normalen Jungmädchenzimmer. Mit Postern von Stars an der Wand, einem bunt bezogenen Bett, einem mit Glitzerstickern wild beklebten Kleiderschrank. Dessen Türen standen weit offen, ein Fach war leer. »Sie haben sogar ihre Söckchen mitgenommen. Ihre Söckchen! Verstehen Sie das?«
    »Und Ihr Mann, Frau Wollgast? Wie nimmt der das auf?« Die Gefragte zog eine Grimasse, die Antwort genug gewesen wäre. »Ach der!« winkte sie ab. »Also... er zeigt es nicht so. Ist nicht seine Art, noch nie gewesen. Seit er arbeitslos ist schon gar nicht. Kein schlechter Mann, wissen Sie. Aber eben... na ja. Das kommt aber nicht in die Zeitung?«
    Carmen versicherte es ihr und sie fuhr fort: »Hanna und er verstehen sich nicht gut. Keine Ahnung, warum. War halt so. Vielleicht weil er kein Vater ist, mit dem man angeben kann. Mädchen. Nichts wie diese verdammte Promiwelt im Kopf. Immer alles haben wollen. Jetzt bin ich auch noch ohne Job.« »Ach ja«, nickte Carmen, »wieso eigentlich? Sie haben doch lange im Café gearbeitet.«
    Sie gingen die Treppe hinunter, Frau Wollgast voran. »Ach wissen Sie, die Kati... wir haben uns nie richtig vertragen. Ihre Art liegt mir einfach nicht. Und sie...« – »...war eifersüchtig?« Elke Wollgast blieb stehen und drehte sich um. »Ja«, sagte sie und lachte spitz. »War sie, wenn Sie es genau wissen wollen, aber Sie wissen es natürlich schon genau. Clara, stimmt's?«
    Dem wollte Carmen besser nicht widersprechen. Sie nickte und lächelte komplizinnenhaft. »Ach, die Clara! Immer ihre Geschichten! Aber ja, ich habe keinen Grund es zu leugnen. Der Chef und ich, wir hatten was miteinander. Und ich weiß auch, dass hier im Ort rumerzählt wird, die Hanna wäre von ihm. Aber das stimmt definitiv nicht, das schwöre ich beim Leben ... meiner ...«
    Die Tränen kamen wie ein unvermittelt hereinbrechender Gewitterregen. Elke Wollgasts Kopf sank an Carmens Brust. »Wissen Sie«, schluchzte sie, »ich weiß doch wirklich nicht, was da bei der Scheune passiert ist. Ich bin auch keine gute Mutter, zugegeben. Aber verdammt noch mal, ich liebe dieses Kind!«
    Die Tür ging auf, Herr Wollgast lugte auf den Flur und verzog das Gesicht. »Hör auf zu flennen. Gibt’s heute eigentlich auch Abendessen oder was?«

    *

    Sie hatte nie gewusst, wie lange Zeit sein konnte, wenn es nichts zu tun gab. In der Schule, okay, diese schreckliche Langeweile. Aber da wusste man doch, es würde so und so lange dauern, dann wäre man erlöst. Und zur Not konnte man sogar mal zuhören, was der Kerl oder diese Schickse da vorne einem beibringen wollte.
    Jetzt gab es nur Finsternis. Weil es sonst keiner tat, hatte Hanna zu reden begonnen. Erst geflucht, dann geheult, dann wieder geflucht und irgendwann hatte sie ein Gedicht aufgesagt. Na ja, so weit sie es noch im Kopf hatte, ein Gedicht aus dem Kindergarten. Im Sommer blüh'n der Blumen viel / Und jede Blume hat nen Stiel / Und den hat auch der Besen / ... die vierte Zeile wollte ihr partout nicht mehr einfallen. Was reimte sich auf Besen? Gewesen? Mochte sein, aber auch damit fiel ihr nichts ein. Sowieso alles Blödsinn.
    Sie hatte wieder Durst. Ihr Mund war ganz trocken, sie

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