Prinzessinnensöckchen (German Edition)
Täter. Der eine hat Pohland ermordet. Völkert oder Kati oder Wolff, aus geschäftlichen oder privaten Gründen. Gehasst haben sie ihn alle, Völkert vielleicht nicht, aber könnte doch sein, dass Pohland ihn reinlegen wollte oder aussteigen oder was weiß ich.«
»Gut«, sagte Kevin. »Vorstellbar. Und das andere? Joey und Hanna, die Geschichte mit Emily? Einer von diesen Sockenjungs?«
Sockenjungs war gut. »Wir müssen rausfinden, wer dieser Excalibur77 ist, dieser Realkunde sozusagen. Jemand, den Hanna persönlich kennt.« »Oder gekannt hat, wenn es Pohland war. Bei dem im Schrank lagen ja die Söckchen.« »Richtig«, stimmte ihm Carmen zu, »andererseits: Die könnte auch Kati dort hineingelegt haben.« »Ja. Und warum?«
Stimmte ja. Sie verrannte sich da in etwas.
»Okay«, sagte Kevin, »ich schlage vor, du machst es dir mal gemütlich und schläfst ne Runde. Entweder Sitz nach hinten stellen oder auf die Rückbank legen. Wird so oder so unbequem. Ich vertret mir mal kurz die Beine und inspizier die Lage.« Vorsorglich gab er ihr schon mal ein langes Gutenachtküsschen.
Carmen entschied sich für die Rückbank. Es war empfindlich kühl geworden, sie zog ihre Jacke eng um den Körper und die Beine an, was sie aus Platzgründen aber sowieso hätte tun müssen. Draußen ging Kevin langsam am Haus der Familie Schmitz vorbei, wo im Wohnzimmer immer noch Licht brannte und Louise Schmitz wohl wie so oft vor dem Fernseher eingeschlafen war.
Wieder begann ihr diese Frau leid zu tun. Auch eine Kandidatin für Streicheleinheiten, dachte sie. Was aber zu wenig wäre, ja klar. Am liebsten wäre sie ausgestiegen, hätte geklingelt und Louise aus dem Schlaf gerissen, »hören Sie mir jetzt mal zu« gesagt, die Frau auf einen Stuhl runtergedrückt und ihr erzählt, sie solle sofort hoch zu ihrer Tochter und die in den Arm nehmen und dann die ganze Nacht mit ihr durchschmusen. Löst zwar keine Probleme, macht sie aber erträglicher.
Ja, hätte sie tun sollen. Stattdessen lag sie gekrümmt auf der Rückbank ihres alten Autos, fror und spürte ihren Rücken. Die Fahrertür wurde geöffnet und Kevin ließ sich schwer auf den Sitz fallen. Er drehte sich um und lächelte. »Blöd, wenn man keine Decke im Auto hat. Willst du meine Jacke als Zudecke?«
Nahm sie natürlich nicht an. Aber war süß von dem. »Draußen ist alles ruhig«, sagte Kevin und gähnte.
36
Am nächsten Morgen war alles in Ordnung – und nichts war in Ordnung. Winfred Starke werkelte an seinen Torten, als hätte es den Montag nicht gegeben. Als Carmen die Backstube betrat und herzhaft gähnte, rang er sich sogar zu einem Lächeln durch.
Sie hatte nicht gut geschlafen, ihr Rücken tat weh. Ein flacher Schlaf zwischen wirren Träumen und klaren Momenten, da sie mit offenen Augen gegen das Dach ihres Autos starrte. Kevin auf dem Fahrersitz, schweigend, vielleicht döste er. Nichts geschah. Am Morgen küssten sie sich noch einmal, Kevin kehrte heim zu seiner Mutter, von der Nacht war ihm nichts anzumerken, er wirkte frisch. Eine muntere Emily kam aus dem Haus, wurde in die Schule gefahren. Schnell zurück, schnell die Schürze umbinden und hinter die Kaffeemaschine. Alles wie immer. »Kati sitzt in ihrem Büro und flennt«, sagte Clara. Nichts wie immer.
»Ist aber verständlich«, fuhr Clara fort, »wenn du morgens die Zeitungen reinholst und so ne alte Klatschtante verklickert dir gleich, was man doch für ne arme Sau is, wenn der Ehemann was mit ner Sechzehnjährigen anfängt und dann von seinem eifersüchtigen Lehrling ermordet wird.«
Hallo? »Tja«, nickte Clara, »so ist das hier im Ort. Gerüchte verbreiten sich schneller als übers Internet. Gestern Abend war Stammtisch und unser Freund Völkert scheint ein paar Andeutungen in die Richtung gemacht zu haben. Wer sonst.«
Die ersten Gäste trudelten ein. Mehr als üblich, neugieriger als üblich. Immerhin befand man sich am Ort eines blutigen Sexdramas mit einer tragischen Heldin, der betrogenen Ehefrau, deren Schluchzen durch die Bürotür deutlich zu hören war. Musik in den Ohren mancher Leute. Das klang wie ein Nervenzusammenbruch. Carmen kochte auf die einzige Art, in der sie dieses Metier beherrschte: vor Wut.
»Kommst mal zehn Minuten ohne mich klar?« Sie zeigte mit den Augen Richtung Büro und zapfte eine Tasse Kaffee ab. »Jo, sicher. Aber versprich dir nicht zuviel. Sogar Starke hat sich schon als Tröster versucht, ohne Erfolg.«
*
Der hatte Nerven! Schickte ihr mitten im
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