Prinzessinnensöckchen (German Edition)
in seine Fantasyabenteuer? Wusste sie nicht. Jetzt jedenfalls lag dieser Kopf, in dem das alles einen Sinn ergeben konnte, im Koma, kurz vor klinisch tot, wenig Hoffnung auf Besserung.
»Oah, ist das scharf!« Die Wasabipaste.
Carmens Versuch, Emily bei den Hausaufgaben zu helfen, endete damit, dass Emily Carmen Gleichungen mit zwei Unbekannten erklärte.
»Dafür brauchst auch zwei Gleichungen, also wenn du zum Beispiel x und y suchst, dann musst du zuerst schauen, dass du x durch y ausdrücken kannst, sagen wir mal x = 2 y, das geht halt nur mit zwei Gleichungen, weißt. Dann setzt du einfach statt x immer die 2 y ein, dann hast du nur noch eine Unbekannte und wie man das dann ausrechnet, muss ich dir ja nicht sagen.«
Äh, ja. Vorsichtshalber geflissentlich nicken.
Das mit den zwei Unbekannten beschäftigte sie noch als Großkreutz anrief, um ihr mitzuteilen, Joeys Kumpel wisse auch nichts Weltbewegendes. »Die sind zusammen ins Kino gegangen, Herr der Ringe und Harry Potter, mindestens zehn Mal rauf und runter. Nur dass Joey von Hanna geschwärmt und einmal auch Vollzug gemeldet hat. Sonst nichts. Hat er bei der Polizei ausgesagt.«
Auch das brachte sie nicht weiter. Carmen gesellte sich zu Emily, die auf der Couch saß und durch die Fernsehkanäle zappte. Schwesternidyll. Zwei Unbekannte – schon möglich. Zwei Gleichungen? Sie wäre froh gewesen, eine zu haben.
Melitta rief an, sie wären am Abend in nettem Freundeskreis beisammen, schick essen gehen, dieser schnucklige neue Italiener, Cocktails schlürfen in der Lounge, das ganze Programm. Aha, dachte Carmen, Gleichung mit einem Unbekannten, den die Freundin aus dem Hut zaubern und auf sie hetzen würde.
Das zappte Carmen auch weg. Sie sei müde. Was ihr Melitta nicht glaubte und etwas wie »verknalltes Hausmuttchen« lästerte. Ja, okay, nächstes Mal dann, ganz bestimmt.
Sie blieben dann wie erwartet bei der Wiederholung einer Rosamunde-Pilcher-Schmonzette hängen. Cornwall, ein prächtiges Anwesen mit Lord und Lady, das arme Mädchen, das vor seinem reichen Freund aufs Land flüchtet, den Sohn des Lords trifft, herausfindet, dass ihre Mutter vor zwanzig Jahren schon einmal hier war und eine Liebschaft mit dem Lord hatte, der Sohn also wahrscheinlich ihr Bruder ist. Am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf, sie kriegen sich und heiraten. Ein genaues Abbild des wirklichen Lebens also.
Aber, verdammt, für neunzig Minuten konnte man ja mal dran glauben.
35
»Tarnung« nannte Kevin das. »Du kannst nicht die ganze Nacht allein im Wagen sitzen und auf Emily aufpassen! Was glaubst du, wie viele Anrufe wir so reinkriegen von wegen da sitzt einer rum und beobachtet unser Haus.« Also das, was Kevin Tarnung nannte. War auch einleuchtend. Ein junges Pärchen in einer Seitenstraße, sie reden und knutschen. Kein Problem, die Nummer hatten sie drauf.
Warum Carmen einen Rock angezogen hatte, wollte sie lieber nicht so genau wissen. Kevin traf sowieso keine Anstalten, irgendwelche verbotenen Gegenden unter dem Rock zu erforschen. Vielleicht weil er befürchtete, das sei gar nicht verboten? Sie hatte Emily heimgefahren, ihr noch einmal eingebläut, nichts zu unternehmen ohne vorher mit ihr zu reden. »Und schließ die Tür ab! Ja, klar, ich bleibe heute die ganze Nacht im Wagen, mach ein Nickerchen höchstens. Hm, nein, Kevin wird heute NICHT kommen.«
Das war, bevor sie mit Kevin telefoniert und ihm ihre Absicht dargelegt hatte. Er war natürlich sofort gekommen, hatte frei und außerdem, wie er sagte, »schon vorgeschlafen«. Aha.
Kurz nachdem Emily ins Haus gegangen war, war auch ihre Mutter von der Arbeit gekommen. So würde Emily in 30 Jahren aussehen? Hoffentlich nicht so gebeugt, so irgendwie... Carmen fiel kein passender Ausdruck ein. Louise Schmitz, der das Wasser bis zum Hals stand, und die den Kopf beugte, um schneller zu ertrinken. Wut packte Carmen, Wut auf diesen widerlichen Ehemann, Wut auf diesen widerlichen Völkert.
»Die Louise ist im Moment überfordert, mit allem«, erzählte Kevin später, als sie im Wagen saßen und Zimtwaffeln aßen, die natürlich seine Mutter gebacken hatte und die, ebenso natürlich, wunderbar schmeckten. »Das Haus, die Schulden, ne Tochter mitten in der Pubertät...« »Jungs sind auch nicht pflegeleichter«, ergänzte Carmen und erwartete Widerspruch. Der blieb, Gott sei Dank, aus.
»Sag mir lieber, wieso man einem wie Völkert nicht das Handwerk legen kann. Hat dein Onkel den überhaupt auf dem
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