Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
auch noch keine schwabbeligen Bierbäuche, als sie sich ihre Designerjacken angefertigt haben.“
„Ja, ich bin offenbar nicht der Einzige, der seine Jacke offen tragen muss“, erwiderte Berringer. „Ach ja – falls du auf die Idee kommen solltest, dir hier einen Kerl anzulachen: Ich würde erst mal abwarten, wer nach der heutigen Aktion keinen längeren Gefängnisaufenthalt vor sich hat.“
„Berry, das war gemein.“
„Ich weiß.“
„Über mein privates Drama bin ich noch nicht hinweg.“
„Manche sind das nie.“
Sie gingen zum Eingang, vorbei an zahllosen Harleys und anderen schönen Maschinen. Die Tanks waren oft liebevoll mit Paintbrush-Bildern verschönert. Die Motivwahl war allerdings etwas einseitig: Nackte Frauen dominierten, knapp gefolgt von martialischen Runen und Totenköpfen. Der einzelne feuerspeiende Drache auf dem Tank einer Kawasaki wirkte schon fast wie ein Fremdkörper.
Niemand hinderte Berringer und Vanessa daran, das FLASH zu betreten. Metal-Musik vermischte sich mit dem Stimmengewirr der bierseligen und zumeist bärtigen Kundschaft.
Eine Wolke aus blauem Dunst hing in der Luft, vermischt mit noch ganz anderen, undefinierbaren Gerüchen und Bestandteilen.
Ans Rauchverbot hielt sich hier niemand. Das wurde ohnehin in ganz NRW eher lax gehandhabt. Schon mehrmals hatte Berringer von genervten Hundebesitzern vernommen, dass sich das Ordnungsamt Mönchengladbach lieber darauf konzentrierte, älteren Herrschaften die schmale Rente in Form von Bußgeldern aus der Tasche zu ziehen, wenn die ihren Dackel ohne Leine spazieren führten, als den Nichtraucherschutz in Kneipen durchzusetzen, weil man dort schlichtweg auf mehr Widerstand stieß.
In einer Spelunke wie dem FLASH wäre dieser Widerstand wohl auch erheblich und eher handgreiflicher Natur gewesen. Und die Verstöße, die hier im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft lagen, betrafen eindeutig nicht nur den Konsum von Tabakwaren innerhalb öffentlich zugänglicher Räume.
Es gab zahlreiche Billardtische, an denen Männer in Lederjacken, mit und ohne Schriftzug der MEAN DEVVILS, und Frauen in zu engen und häufig bauchfreien TShirts oder Tank Tops spielten.
Berringer machte Vanessa den Vorschlag, sich zu trennen, damit sie nicht noch mehr auffielen, als dies vermutlich ohnehin schon der Fall war. Vanessa hatte sich kleidungsmäßig kaum an das Umfeld des FLASH angepasst. Sie trug Jeans und TShirt und war insgesamt deutlich weniger aufgedonnert als die wenigen anderen weiblichen Gäste. Allerdings bezweifelte Berringer dennoch, dass sie sich über mangelnde Ansprache würde beklagen können. Das ein oder andere Bierchen zeigte bei manchen Kerlen mehr Wirkung als ein aufreizendes Outfit, und davon abgesehen war das Geschlechterverhältnis so unausgeglichen, sodass sich das Beuteschema der anwesenden männlichen Bevölkerung notgedrungen ausweitete.
Oder anders ausgedrückt: Man nahm, was man kriegen konnte; und wenn es nur das war, was andere übrig ließen, soff man sich die Angebetete einfach schön.
Berringer ging zum Tresen und bestellte ein Bier, obwohl er kein Bier mochte. Aber wenn er schon eine Jacke mit verblasstem Peace-Symbol trug, wollte er zumindest nicht noch dadurch auffallen, dass er hier an einer Cola nuckelte.
Der Wirt stellte ihm ein Alt auf den Tresen – klassischerweise ein Hannen, obwohl man die Produktionsstätten in Mönchengladbach vor Jahren verkauft hatte und mittlerweile in Krefeld braute. Die einstmals weltweit größte Altbierbrauerei Hannen gehörte jetzt zum dänischen Carlsberg-Konzern. Dennoch galt das Hannen Alt immer noch als typisches Gladbacher Bier.
Globalisiertes Gladbacher Bier eben.
In Zeiten, als ein Mann noch Mann sein durfte und das „Lassiter“-Westernheftchen in drei verschiedenen Ausgaben an jedem Kiosk erwerben konnte, hatte die Hannen-Brauerei eine eindrucksvolle Plakatwerbung gehabt: eine überdimensionale Männerfaust, die entschieden auf den Tisch schlug, darüber der markige Slogan:
„Wenn ich Alt sag’, mein’ ich Hannen!“, lange vor der Rechtschreibreform noch mit schmucken Apostrophs. Das Gesöff passte also bestens zum rustikal-gestrigen Weltbild der Berringer momentan umgebenden Klientel.
Er sah auf die Uhr. Ein bisschen Zeit musste er noch überbrücken, bevor Anderson und seine Leute den Sack zumachen würden. Weder von Ho-Mo Baumann noch von dem Typ mit dem Zopfbart war bisher etwas zu sehen.
Vanessa hatte wie erwartet schnell Anschluss gefunden und
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