Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
machen."
Doch April schüttelte entschieden den Kopf. "Ich fürchte, daraus wird nichts, Jo."
"Und warum nicht? Soweit ich weiß, habe ich heute keine Termine mehr. Es gibt auch keinen Fall, an dem..."
"Vielleicht doch, Jo."
Jo runzelte die Stirn. Er löste den ersten Hemdknopf und lockerte den Krawattenknoten ein Stück. "Was soll das heißen?" fragte er gleichzeitig.
"In deinem Büro sitzt eine Frau, die ganz so aussieht, als würde sie unsere nächste Klientin. Sie wartet schon eine halbe Stunde..."
"Du hättest ihr einen anderen Termin geben können."
"Natürlich, Jo. Aber sie machte mir einen so niedergeschlagenen Eindruck, daß ich mir dachte, daß ihre Sache wohl nicht länger warten kann."
Jo seufzte. Wann hatte es schon je einen Klienten gegeben, der freudestrahlend im Büro eines Privatdetektivs saß und mit sich und der Welt zufrieden war?
"Hat die Dame dir schon gesagt, worum es geht?"
"Nur, daß ihr Lebensgefährte erschossen wurde. Aber nichts weiter. Sie brach gleich in Tränen aus. Sei also nett zu ihr."
"Sicher."
Als Jo dann einen Moment später sein Büro betrat, saß dort eine gutaussehende Dunkelhaarige, deren verlaufenes Make-up für sich sprach. Jo reichte ihr die Hand und sie nickte. Sie brauchte eine Sekunde, um etwas herauszubringen. Ein Kloß schien ihr im Hals zu sitzen.
"Sie sind Walker?"
"Ja."
"Geld spielt keine Rolle", sagte sie und zuckte dann ihre schmalen Schultern. "Oder besser gesagt: fast keine. Ich habe einiges auf der hohen Kante und..."
"Vielleicht sagen Sie mir erst einmal, wer Sie sind und worum es geht, Miss..."
"Carter, Joanne Carter."
Jo nahm in dem Sessel hinter dem Schreibtisch Platz und lehnte sich etwas zurück, während er sein Gegenüber einer knappen Musterung unterzog. Diese Frau schien noch ganz unter einer Art Schock zu stehen und war deshalb wohl etwas durcheinander. Was immer es auch gewesen war, das ihr so zugesetzt hatte - es konnte keine Kleinigkeit sein.
"Meine Mitarbeiterin hat mir gesagt, daß man Ihren Lebensgefährten erschossen hat", begann Jo, nachdem er bemerkte, daß es Joanne Carter schwer fiel, über die Sache zu sprechen und den richtigen Anfang zu finden.
Sie nickte. "So ist es", meinte sie. "Sein Name ist Walt Brannigan. Und der Mann, der ihn erschossen hat, war Polizist und hat selbst eine Kugel ins Bein gekriegt..." Sie atmete tief durch und Jo begann zu dämmern, um welche Sache es sich hier drehte. Indessen hob Joanne den Kopf und sah den Privatdetektiv offen an. "Vielleicht haben Sie in der Zeitung von der Sache gelesen. Walt hat in einer belebten Geschäftspassage wild um sich geschossen und dabei insgesamt fünf Menschen erschossen..."
Jo beugte sich etwas nach vorne.
"Sie meinen..."
"Er ist Amok gelaufen, daß wollten Sie doch sagen, nicht wahr? Ein Verrückter, der wild um sich ballert, der in seiner Verzweifelung oder seinem Wahn oder aus welchen Gründen auch immer so viele Menschen wie möglich mit sich in den Tod zu reißen sucht!" Sie wischte die Träne hastig beiseite, die sich unmerklich auf ihre Wange gestohlen hatte.
"Ich habe von der Sache tatsächlich gehört", meinte Jo. "Und soweit ich weiß, hatte der Polizist wohl keine andere Wahl..."
Sie nickte. "Ja, so denken alle darüber. Polizei, Staatsanwaltschaft, Presse und so weiter."
"Und was ist falsch daran?"
Sie schluckte. "Vielleicht nichts", murmelte sie dann. "Ich weiß selbst schon nicht mehr, was ich darüber denken soll. Ich weiß nur eins: Es gibt keinen Grund, weshalb Walt auf die Straße gehen und wahllos Menschen erschießen sollte!"
Jo zuckte die Achseln. "Aber er hat es doch getan, oder? Aus welchem Grund auch immer..."
Sie hob den Kopf und schien sich ihrer Sache auf einmal sehr sicher zu sein. "Walt und ich leben zusammen. Wahrscheinlich kennt ihn niemand besser als ich. Und ich sage Ihnen, die Vorstellung ist völlig absurd."
Jo musterte sie. Was sollte er dazu sagen? Es schien ihm, als wollte die Frau einfach die Realitäten nicht anerkennen. Walt Brannigan wäre nicht der erste Amokschütze gewesen, der seiner engsten Umgebung als völlig normal erschienen war. Bis zu dem bestimmten Tag, an dem es geschah.
"Sehen Sie, Miss Carter, man kann in den Kopf eines Menschen nicht hineinschauen. Und in den eines Toten schon gar nicht. Ich weiß nicht, warum Ihr Freund das getan hat - und wahrscheinlich wird es man es auch nie mehr erfahren."
"Er war Mitarbeiter eines erfolgreichen Ingenieurbüros. Ein erfolgreicher, dynamischer Mann.
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