Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
denn?"
"Ich habe einen Bekannten bei der Zulassungsstelle. Ich dachte, daß die Adresse vielleicht nicht mehr aktuell ist, die in Cravens Papieren steht und hoffte, so vielleicht an ihn heranzukommen. Seine Wagennummer kenne ich ja, schließlich hat er einen reservierten Platz auf dem Parkdeck."
Jo nickte nachdenklich. Wenn man das alles zusammennahm, dann war schon einiges merkwürdig an der Sache.
"Was glauben Sie, was passiert ist?" fragte Jo.
Franklin zuckte mit den Schultern. "Ich habe nicht die geringste Ahnung. Irgendwelche Lösegeldforderungen hat es bis jetzt nicht gegeben, aber das kann ja noch kommen. Ich weiß nur, daß Leslie verschwunden ist."
"Haben Sie eine Vermißtenanzeige aufgegeben?"
"Ja, habe ich. Aber Sie wissen doch besser als ich, was bei so etwas herauskommt, Mister Walker. Und im Augenblick unternehmen die noch gar nichts. Ein Mann, der den zweiten Tag nicht ins Büro kommt! Die haben mich überhaupt nicht richtig ernst genommen!"
Das konnte Jo sich lebhaft vorstellen. "Okay", murmelte er. "Ich werde sehen, was sich machen läßt."
"Am Geld soll es nicht liegen!" meinte Franklin. "Gleichgültig, wie unverschämt Ihre Tagessätze auch sein mögen - ein Mitarbeiter wie Leslie Craven ist das auf jeden Fall wert!"
"Erwarten Sie trotzdem keine Wunderdinge von mir, Mister Franklin."
"Ich bin Realist." Und im nächsten Augenblick legte Franklin dann eine Mappe auf den Tisch. "Das ist Cravens Personal-Akte. Ich denke, die werden Sie brauchen."
*
"Ein ziemlich glatter Lebenslauf", stellte April fest, als sie in Cravens Akte herumblätterte. Jo, der den Inhalt bereits überflogen hatte, stand am Fenster und blickte hinaus auf den klaren Himmel über dem Central Park.
Craven war Mitte vierzig, geboren in Chicago als Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Verkäuferin. Seine Abschlußnoten in der Schule lagen alle etwas über dem Durchschnitt, aber nicht so sehr, daß es besonders aufgefallen wäre. Dann ein paar Jahre Army und ein Studium an der University of California in Berkeley. Betriebswirtschaft und Fremdsprachen. Ein paar Jobs bei verschiedenen Firmen folgten, die er in Fernost und in Nordafrika vertrat. Seit drei Jahren arbeitete er für die Franklin Literary Agency.
Zu den Unterlagen hatte Franklin vernünftigerweise auch eine Fotographie gelegt. Das Bild war offenbar auf einer Party oder einem Betriebsfest entstanden. Franklin hatte Cravens Kopf mit Filzstift eingekreist und auf der Rückseite des Fotos eine entsprechende Anmerkung gemacht.
"Hast du vielleicht schon eine Idee, wo man da ansetzen kann?" fragte April, die die Mappe zuklappte und zurück auf den Schreibtisch legte.
Jo drehte sich herum und zuckte die Achseln.
"Kein Mensch verschwindet einfach, ohne eine Spur zu hinterlassen", meinte der Privatdetektiv zuversichtlich.
"Genau das scheint hier der Fall zu sein, Jo!"
"Ja, und wenn da nicht diese zwei Kerle wären, die diesem Craven zugesetzt hätten, dann könnte man auf die Idee kommen, daß er von sich aus untergetaucht ist."
"Aber warum, Jo?"
"Keine Ahnung. Wenn wir das wüßten, hätten wir ihn wohl auch schon halb gefunden, schätze ich!"
*
Jo Walker hätte sich am liebsten ein paar Stunden aufs Ohr gelegt, aber in diesem Fall hielt er es für besser, die Recherchen gleich zu beginnen. Es war schon genug Zeit vergangen, seit Leslie Craven verschwunden war. Und die Spuren wurden bei einer solchen Personensuche schneller kalt, als einem lieb sein konnte. Craven hatte im dritten Stock eines Reihenhauses gewohnt. Gepflegter Altbau, ruhige Lage. Die Besitzerin wohnte im Erdgeschoß und hieß Martha Raglan. Sie war eine energisch wirkende Dame in den Sechzigern, die Jo ihre Tür nur einen Spalt weit öffnete und nicht im Traum daran dachte, die Kette zu lösen. Jo konnte sie im Grunde verstehen. Sie hatte Angst vor Fremden, die an ihrer Tür klingelten.
"Wer sind Sie?" fragte sie. "Ich kaufe nichts an der Tür und versichert bin ich schon!"
"Mein Name ist Jo Walker. Ich bin Privatdetektiv."
Ihre Augen verengten sich ein wenig. Aber es war ihr nicht anzusehen, ob sie Jo glaubte oder nicht.
"Was Sie nicht sagen...", murmelte sie kaum hörbar.
Jo verzichtete darauf, ihr seine Lizenz unter die Nase zu halten. Er hatte es im Gespür, daß die Dame auf der anderen Seite der Tür ihm vermutlich nur eine einzige Chance geben würde, ihr überhaupt etwas zu zeigen. Und so zeigte Jo ihr stattdessen das Foto von Craven.
"Kennen Sie den Mann?"
"Was ist mit ihm?"
Weitere Kostenlose Bücher