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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem Volk, zu ihnen sprechen.«
    Peter Kaul trank langsam ein Glas Mineralwasser. Es war fast, als schäme er sich vor den ehemaligen Alkoholikern, so etwas zu trinken.
    »Mein Schicksal ist doch so alltäglich …«, wagte er einen Einwand.
    »Eben darum!« Direktor Bonnemann klopfte ihm auf die Schulter. »Nichts heilt besser als die Betrachtung eines Leidens, das man selbst nicht haben möchte …«
    Jutta, die Gräfin, verfiel wie ein morsches Gemäuer im Herbstwind. Nach dem Begräbnis vom Jim, dem Kamel, und der Razzia auf dem Friedhof Melaten, wurde sie nach drei Stunden wieder freigelassen, weil sie erstens eine feste Wohnung nachweisen konnte und zweitens ihr Existenzminimum durch die Wohlfahrt erhielt. So gab es keine Handhabe, sie weiterhin festzuhalten. Auch René, der Kavalier, wurde freigelassen. Er hatte sogar einen Ausweis für ambulantes Gewerbe. Dagegen schaffte man Emil, den Fisch, in das Gefängnis Klingelpütz. Gegen ihn lag eine Anzeige wegen öffentlichen Ärgernisses vor: Er hatte am hellen Tag über das Geländer des Ufers in den Rhein uriniert. »Lebt wohl, Freunde!« sagte er traurig, als ein Polizeibeamter ihn aus dem Zimmer führte. »Das kostet bestimmt vier Monate Arbeitshaus! So kann man sich um seine Freiheit bringen …«
    Jutta, die Gräfin, bezog vor dem Präsidium Posten. Sie wartete auf Dr. Linden. Man hatte ihn von dem Gros der Trinker abgesondert und in ein anderes Zimmer geführt. Aber das konnte nicht lange dauern. Niemand hatte ein Recht, ihn festzuhalten. Er störte nicht die öffentliche Ordnung, er fiel keinem zur Last, er hatte keinen Konflikt mit dem Gesetz. Er soff bloß. Das aber ist Entfaltung der persönlichen Freiheit! Und so wartete sie geduldig drei, vier Stunden, ging auf der gegenüberliegenden Straßenseite hin und her, lehnte sich dann in eine Haustür, sagte zu einem Mann, der sie ansprach: »Geh weiter, du Sau!« und musterte immer wieder das Portal, durch das Dr. Linden herauskommen mußte.
    Nach fünf Stunden verließ sie die Geduld. Sie wurde unruhig, René, der Kavalier, war schon längst gegangen, die anderen Saufbrüder waren mit der ›Grünen Minna‹ abtransportiert worden, am Gitterfenster Emil, der Fisch, der bitterlich weinte und immer wieder schrie, er sei Vollinvalide und man verletze an ihm die primitivsten Menschenrechte – aber von Linden war nichts zu sehen. Es war unheimlich.
    Als die Gräfin erfuhr, daß ihr Geliebter längst durch einen Hintereingang das Präsidium verlassen habe, mit unbekanntem Ziel, in Begleitung seiner Frau, ging sie zurück in den Bunker, zog sich um, legte ein schwarzes Gewand an und betrank sich mit vier Flaschen Wermut.
    An einem Sonntag gegen zehn Uhr vormittags ratterte ein Feuerwehrwagen zur Hohenzollernbrücke. Unten, auf dem schmalen Fußgängersteg, stand René, der Kavalier, in einem Maßanzug und mit aufgespanntem Schirm, denn es schneite. Er blickte nach oben in das Eisengewirr der Brückenbögen und schrie ab und zu mit greller Stimme: »Jutta! Laß den Blödsinn! Komm runter!«
    Das Bild, das sich den Feuerwehrleuten bot, war erschreckend und voll grausamer Komik.
    Zwischen den Eisenträgern der Brücke hockte eine Frauengestalt. Sie trug ein schwarzes Kleid und einen Hut mit einem Witwenschleier. Sie saß auf einer Querstrebe, trank in kurzen Abständen aus einer Flasche, stierte dann hinunter in den Rhein, auf dessen schmutziggelben Wassern die Schneeflocken schmolzen und kümmerte sich nicht darum, daß René, der Kavalier, bettelte und flehte und die Feuerwehr begann, die Leiter auszuschwenken. Vom Dom und von Groß St. Martin läuteten die Sonntagsglocken zum Hochamt, die Züge donnerten unter den Streben hindurch, die Brücke schwankte und bebte. Menschen sammelten sich an und wurden von der Besatzung einer Streife zurückgedrängt.
    »Sie kennen die Frau?« fragte der Polizeiwachtmeister. René, der Kavalier, nickte.
    »Es ist die Gräfin …«
    »Eine was?«
    »Eine echte Gräfin. Sie will in den Rhein springen.«
    »Aber warum denn? Ist sie schwermütig?«
    »Nein.« René blickte nach oben in die Eisenträger. Jutta, die Gräfin, trank wieder aus der Flasche. Der Rhein ist kalt – man friert, bis man tot ist. Das ist nicht schön. Von jeher hatte sie eine Abneigung gegen Kälte gehabt. Wärme war ihr Element gewesen. Sollte sie im Tod frieren? »Sie will einfach nicht mehr. Sie hat alles gehabt, was das Leben bieten konnte. Nun ist sie satt. Wenn Sie satt sind, Herr Wachtmeister, dann

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