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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Opfer einer moralischen Wahnidee. Heute ist es anders … ich habe einen Menschen erschlagen, in Notwehr gewissermaßen, aber ich habe es getan! Notwehr! Man wird darüber lachen. Dieser Peter Kaul schlägt eine Frau tot, weil sie ihn verführen will! Tötet einen Menschen, der um Liebe bettelt! Ist das nicht Beweis genug, daß er verrückt ist? Total bekloppt? Welcher normale Mann tötet eine Frau, die sich ihm an den Hals wirft? Und nicht einmal leid tut es ihm, diesem Kaul! Los, nehmt ihn fest. Nein, nicht in eine Zelle. Zellen sind für normale Mörder. Da kommen die Kinderschänder hinein, die Lustmörder, die Sexualbestien, die menschlichen Geier … dieser Kaul aber, dieser verrückte Hund, dieses vom Saufen leere Hirn, gebt ihm wieder seinen Schlafanzug mit dem schönen Monogramm auf der Brust: LHA. Und dann auf Zimmer siebzig … zu den lallenden Deliriumskranken, zu den nackten Oppositionellen der menschlichen Gesellschaft, zu den versoffenen warmen Brüdern. Da gehört er hin, der Vollidiot Peter Kaul, der eine Frau erschlägt, weil sie sich an ihn drängte. Soll man's für möglich halten? So etwas gibt es!
    Kaul schloß die Augen und ließ sich auf den Boden gleiten. Er lehnte den Kopf zurück an die Wand und nagte mit den Zähnen seine Lippen auf. Als er den Blutgeschmack merkte, war es ihm, als durchzitterte seinen Körper das Gefühl höchster Lust. Das ist es, dachte er. Das hat mir gefehlt. Die ganze Zeit. Ich war in einem Tunnel, weiter nichts. Dunkel war's um mich und ab und zu gab es ein Licht … Susanne … die Kinder … Pfarrer Merckel … die Fahrt nach Schloß Bornfeld … Judo-Fritze … die neue Wohnung … Schweiz, Locarno, Ascona, die Clinica Santa Barbara … der fröhliche Dr. Hütli … Nur Lichter, die aufzuckten in der Dunkelheit des Tunnels, durch den er tappte. Aber jetzt fand er sich wieder. Er trat hinaus in die Sonne, und da lag ein Mensch zwischen Kleister und Tapetenrollen, lange Beine, ein bleiches, etwas aufgedunsenes Gesicht, nicht hübsch, aber auch nicht häßlich, das Alltagsgesicht der Sinnlichkeit, blonde, gebleichte Haare, und dieser körperlich saubere, aber innerlich verfaulte Mensch mit dem Namen Lucie war tot oder starb und hatte den Tunnel weggerissen und den Trinker Peter Kaul zurückgeführt, wohin er gehörte.
    Kaul rappelte sich vom Boden hoch und stieg über die liegende Gestalt hinweg, taumelte zum Ausgang und breitete die Arme aus, als er ins Freie trat.
    Der Weg war nicht weit. Gleich um die Straßenecke. Ein Lebensmittelgeschäft. Selbstbedienung zu Discount-Preisen. Sonderangebot der Woche: 1 Flasche Korn nur vier Mark fünfzig. Rote Schrift auf gelbem Karton. Die Preissensation. Echter Jamaika-Rum. Elf Mark fünfundsiebzig. Vergleichen Sie … das finden Sie nirgendwo.
    Peter Kaul verglich nicht. Er kaufte zwei Flaschen Rum. Er zahlte mit der Wochenrate für die Nähmaschine. Wie ein Schatz trug er die beiden Flaschen zum Neubau Kellermanns, betrat wieder das Zimmer, sah Lucie noch immer zwischen Tapeten und Kleister liegen, nur der Blutfaden aus den Nasenlöchern war geronnen und die Hautfarbe war fahlgelb geworden. Sie ist tot, dachte Peter Kaul völlig ruhig. Das Aas ist tot. Es wird nie mehr brave Ehemänner belästigen. Aus ist es, vorbei, Puppe Lucie! Es gibt noch Männer, die um der Ehre willen töten! Haha!
    Peter Kaul setzte sich auf eine Kiste, zog den Kronenkorken von der Flasche und schnupperte am Flaschenhals. Rum, dachte er. Ich habe nie in meinem Leben Rum getrunken. Aber da steht auf dem Etikett 73 Prozent. Herrgott, 73prozentiger Alkohol! Vier tiefe Schlucke, und die ganze Welt ist dir egal, du schwebst wieder auf einem rosa Wölkchen und noch vier Schlucke – tief atmen, Peter, dann Luft anhalten und runter mit dem Zeug –, und du spürst nicht einmal mehr, wenn Judo-Fritze dir die Hirnschale einhämmert.
    Der erste Schluck war die Hölle. Stöhnend setzte Kaul die Flasche ab und umklammerte sie mit beiden Händen. Ich werde zerfressen, dachte er und preßte die Knie zusammen. Das ist wie Schwefelsäure. Meine Mundhöhle, meine Speiseröhre, mein Magen … sie brennen, sie rauchen, sie verdampfen, sie lösen sich auf wie ein Kupferpfennig in ungelöschtem Kalk. O Himmel, man hat auf den Flaschen die Etiketten verwechselt.
    Der zweite Schluck war mäßiger. Er brannte noch, aber er schmeckte bereits. Die Zunge ist heil, dachte Kaul. Komisch, wie wichtig doch eine Zunge ist. Was man alles machen kann mit einer Zunge! Peter Kaul

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