Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
Unzahl von anderen Mitarbeitern, von höheren Managern, von Kunden und staatlichen Institutionen hin zu einem angestrebten Ziel geführt werden müssen. In den meisten Fällen müssen alle in einem Netzgeflecht wirklich überzeugt werden! Der Professional hat nur den Arbeitsauftrag auf ein Ziel hin, nicht aber Macht über die anderen bekommen. Auf der anderen Seite haben alle diese anderen ihre eigenen Aufgaben, wiederum ihre anderen Ziele anzustreben. Mehr noch – die Ziele der anderen stehen fast immer in Konflikt zu den eigenen.
Die Arbeitsaufträge an den Professional geben die Richtung vor, der Weg ist gar nicht klar, es gibt viele Möglichkeiten für einen Erfolg und entsetzlich viele für einen Misserfolg.
Ich bin für die Firma IBM oft bei Kunden und versuche, die neuen innovativen Ideen der Zukunft zu propagieren. Irgendwann zeigt ein Kunde Interesse. Dann muss der Vertriebsbeauftragte zum Beispiel »ein Angebot für den Rechenzentrumsumbau erstellen«. Dazu muss er Kontakte knüpfen: zu Architekten, Umweltexperten für Green IT, zu Preis-, Rechts- und Vertragsexperten. Er muss neueste Bautechnologien heranziehen, die Größe des Baus schätzen, den Hardwarebedarf neu bestimmen. Soll der Kunde die alten Computer ins neue Gebäude mitnehmen – oder wagt er einen echten Schnitt und integriert die IT ganz neu? Das hängt vom Nutzen der neuen Technologien ab, von Abschreibungszyklen, von der Automatisierungsangst der IT-Experten beim Kunden, von den Preisen, den Service-Levels, den Sicherheitsanforderungen, den neuen Bauvorschriften, neuen Standards, den Baukosten und so weiter. Mit einem ganzen Netzwerk von anderen Professionals muss der Vertriebsbeauftragte etwas entwerfen und vertraglich günstig festlegen, was der Kunde gerne unterschreibt, weil es genau seine Wünsche und Finanzierungsvorstellungen trifft.
Was ist das für eine Arbeit? Ist das Verkauf? Auch. Ist es Management? Viel davon. Ist es Technologieberatung? Verhandlung? Ausgleich von Interessen auch »politischer Art«? Menschenführung? Es ist von allem etwas.
Was hat der Chef des Vertriebsmitarbeiters mit der Aufgabe zu tun? Er kann helfen, seinen vielleicht größeren Einfluss geltend zu machen. Aber im Grunde ist der Vertriebsmitarbeiter mit einem sehr komplexen Problem im Wesentlichen auf sich gestellt. Sein Chef hat eher die Commodity-Aufgabe, den Auftrag entgegenzunehmen und Haken in Tabellen zu machen.
Ich will sagen: Die Aufgabe des Vertriebsprofessionals ist wesentlich komplexer als die seines Chefs. Trotzdem genießt der noch die höhere Anerkennung und erwartet ein entsprechend höheres Gehalt im Sinne der alten Macht- und Hierarchiestrukturen. Diese lösen sich aber auf oder stehen nur noch auf dem Papier. Im Grunde sind heute sehr viele Mitarbeiter eines professionellen Unternehmens Professionals, die für sich (ohne Anleitung vom Chef) in komplexen Zusammenhängen und großen Netzwerken etwas zu einem Ziel hin bewegen.
Die Berufe werden in diesem Sinne stärker »unternehmerhaft«. Auch Bankangestellte warten nicht mehr am Schalter auf Kunden, sie sind angehalten, proaktiv Hausbesuche zu vereinbaren und »draußen« Neukunden anzuwerben. »Lassen Sie sich etwas einfallen.« Professoren müssen raus aus dem Elfenbeinturm und ihre Forschung bei Unternehmen vermarkten. Autohändler können nun mehrere Marken anbieten und werden vom Befehlsempfänger eines Autoproduzenten zur Drehscheibe. Schuldirektoren müssen raus, um die Schule bekannt zu machen und ihren guten Ruf zu verbreiten. Raus! Raus! Raus! Dadurch wird die Vernetzung bei der Arbeit viel, viel größer. Der Bedarf nach unternehmerischen und kommunikativen Arbeitskräften steigt. Diese Professionals sind »alles«, also Verkäufer, Kommunikator, Manager, Controller und Innovator in einem. Sie arbeiten in vielen Projekten und verschiedenen Rollen mit, in manchen als Chef und in etlichen anderen als Teammitglied. Jeder muss also das Dienen beherrschen und als Herrscher dienen können .
Die klassischen Tätigkeiten, bei denen etwas genau Definiertes und Verwaltetes und Gezähltes abgearbeitet wird, sind auch die klassischen Kandidaten für eine Rationalisierung, eine Industrialisierung und schließlich für die Automation. Die neuen Tätigkeiten schreiben keine Handgriffe vor, sondern sie verlangen Resultate – wie immer man die herbeischafft. Diese Tendenz leitet die Zeit des professionellen Menschen ein.
Wissen WAR Macht – es gibt kein Herrschaftswissen mehr
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