Professionelle Intelligenz - worauf es morgen ankommt
nichts Neues. Wenn wir wieder Fahrt in eine gute Zukunft aufnehmen wollen, müssen wir wieder erschaffen, und zwar eine Welt, in der die digitalen Technologien zur vollen Blüte gebracht werden. Da liegen natürlich die ungehobenen Schätze der Zukunft – wo sonst? Dazu ist es nötig, in solchen Gebieten ein paar Exzellenzstufen zu nehmen. Es reicht nicht mehr, wenn wir Lehrlinge sind, auch nicht, wenn wir digitale »Gesellen« sind, die alle noch einer Anleitung bedürfen. Und vor dem Nehmen dieser Stufen müssen wir erst diese Stufen als Kenner erklimmen. Wir brauchen ein Ziel! Wir müssen die Arete des Digitalen verstehen und würdigen können. Erst dann können wir erschaffen, was wir verstanden haben.
Was aber geschieht? Wir bekommen Belehrungen, Telefonkonferenzen und Kongressvorträge über Richtungen und geforderte Grundkenntnisse, dazu Beschwörungen, wie wichtig alles ist. Noch vor zwanzig Jahren gab es zwei-, sogar dreiwöchige Lehrgänge in Management oder Führung, in Pädagogik oder Entrepreneurship. Vor zehn Jahren war man schon eiliger und hielt eine Woche für vollkommen ausreichend. Vor fünf Jahren senkte man typische Lehrgangsdauern auf zwei Tage, heute sind bald zweistündige Präsentationen über Computer (Bild) und Telefon (Ton) üblich. »Bitte blättern Sie in der vorher gemailten Präsentation auf Seite 47. Ich habe nur zwei Stunden Zeit, eigentlich sollte ich auch noch eine Frage beantworten können. Ich muss aber durch alle 200 Folien, sodass ich nur blättern kann. Das tue ich, Sie schauen es an und lernen das alles. Natürlich kann man es davon nicht lernen, da müssen Sie schon ein paar Wochenenden opfern. Im Grunde ist es für unsere Unterlagen wichtig, dass Sie alle diesen Pflichtkurs absolviert haben. Außerdem bitten wir Sie, diesen Kurs anschließend sehr gut zu beurteilen, sonst müssen wir ihn neu konzipieren und Sie zwingen, diesen Kurs zu wiederholen. Bitte helfen Sie uns also durch Ihre Beurteilung sicher zu sein, dass dieser Kurs exzellent ist.«
Die Kürze und Oberflächlichkeit der Kurse und Lehrgänge ist fast beängstigend. Im Grunde erfährt der Kursteilnehmer nur, welche Fähigkeitskomplexe genau vom ihm gleich nach dem Kurs erwartet werden. Es gibt einfach Kurse von Leuten, die eine Stunde über Kreativität oder Burn-out-Vermeidung referieren und dann zur Umsetzung auffordern, so wie man einen Übergewichtigen eine Stunde mit den Gefahren seines Zustandes vertraut macht und dann mit »Nimm ab!« den Kurs beschließt. Beim nächsten Burn-out sagt man dem schwer Gezeichneten, er habe doch den Lehrgang besucht …
Ich bin ein bisschen bitter, das merken Sie sicher. Ich trinke jetzt am besten erst mal einen Früchtetee. Bing! Ich bekomme eine Mail. Sie glauben es nicht! Ich soll einen Kurs buchen (for only 119 $!). »Repair damaged relationships, and transform competitiveness into cooperation« (Stelle kaputtgegangene Beziehungen wieder her und transformiere Konkurrenzverhalten in Kooperation!) »In just one day, discover a better way!« (In einem Tag!) So einfach ist das: »Vertragt euch alle wieder und arbeitet zusammen, aber die schlechtesten 20 Prozent von euch werden natürlich aus Gründen des Arbeitsanreizes gefeuert, wir prüfen euch jeden Tag gegeneinander.« In dieser typischen Weise sollen Zerstörungen der Vergangenheit rückgängig gemacht werden.
Die Ökonomie der letzten Jahre hat mit hohem IQ durch Effizienzstreben und einem »N och-mehr-Stress« unsere emotionale und kreative Bildungskultur empfindlich gestört. Sinnfragen werden kaum noch gestellt. Die Wiederherstellung wird eine neue Generation betreiben müssen.
Wie kann man in dieser Situation unsere Hardware in Bezug auf alle unsere xQs wieder aktivieren? Ich kann Ihnen gerne Vorschläge unterbreiten, aber ich warne. Alle diese Konzepte verlangen dauerhaft sehr wesentliche Ressourcen oder Kulturgrundlagen:
• eine helfende und konstruktive Feedbackkultur,
• viel Zeit der Top-Könner für persönliches Kümmern um die nächste Generation,
• Inspiration, Tapetenwechsel, Personalentwicklung, Förderung.
Das weiß eigentlich jeder! Das Hauptproblem ist: Effizienzstreben ist eben kurzfristig ausgelegt, es ist ungeduldig, es setzt seine zum Teil schon grausamen Ziele mit Druck und Angsterzeugung durch, es zwingt dazu alle Top-Leute eines Unternehmens restlos in ein Hamsterrad, sodass diese sicher keine Zeit mehr für irgendetwas anderes haben, als sich gegen den »Quartalsdruck« zu stemmen.
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