Profit
zu tun zu haben. Auf jeden Fall, seit ihr verheiratet seid. Ich könnte nicht sagen, dass es jetzt mehr sei als früher, aber darauf kommt es eigentlich auch nicht an.«
Carla sah überrascht auf. »Ach nein?«
»Nein. Carla, die Ehe ist ein künstlicher Zustand. Vom Patriarchat erfunden, um dafür zu sorgen, dass die Väter wissen, wer ihre Kinder sind. Seit Tausenden von Jahren geht das schon so, aber dadurch wird es nicht richtig. Die Menschen waren und sind nicht dazu gemacht, so zu leben.«
»Ich glaube, das habe ich schon mal gelesen, Dad.«
»Die Tatsache, dass es von deiner Mutter formuliert wurde«, sagte Erik ernst, »widerlegt das Argument nicht. Wir sind Stammeswesen, keine Ehewesen.«
»Ja, ja. Mal sehen, ob ich es noch zusammenkriege. Die ursprüngliche menschliche Gemeinschaft ist ein matriarchalischer Stamm, mit einem weiblichen, die Kinder aufziehenden und alles Wissen bewahrenden Zentrum und einer äußeren Schutzhülle, die aus männlichen Kriegern besteht. Äh, wie war das, die Kinder werden gemeinschaftlich betreut, nur die Frauen wissen, wie das mit der Fortpflanzung funktioniert und…«
»Der springende Punkt, Carla: Das exklusive Paarungsverhalten ist unnatürlich. Es ist in der Natur nicht vorgesehen, dass zwei Personen derart ausschließlich aufeinander bezogen sind.«
»Das ist eine ziemlich armselige Entschuldigung«, sagte sie und biss sich gleich darauf auf die Lippen.
Erik sah sie vorwurfsvoll an. »Das habe ich nicht gemeint. Sieh mal, es ist ja noch gar nicht so lange her, dass man im erweiterten Familienkreis zusammenlebte, wodurch ein Teil der Belastung aufgefangen wurde. Heute leben wir in isolierten Paarverhältnissen oder Kernfamilien, und entweder arbeiten beide Partner so viel, dass sie sich kaum sehen, oder sie haben gar keine Arbeit, dann zerrt der Stress des Lebens in Armut an ihnen.«
»Das ist doch stark vereinfacht dargestellt, Dad.«
»Findest du?« Eric umfasste seinen Becher mit beiden Händen und blickte wieder in das rote Glühen des künstlichen Feuers. »Schau dir an, wo du lebst, Carla. In einem Dorf, dessen Namen ihr vor drei Jahren noch nicht einmal kanntet. Keine Freunde in der Nähe, keine Familie, selbst mit den Arbeitskollegen kann man nur verkehren, wenn man bereit ist, am Abend noch mal anderthalb Stunden im Auto zu sitzen. All das ist eine riesige Belastung für euch beide und die Folge ist: Man streitet sich. Eine ganz natürliche Folge. Es wäre unnatürlich, wenn man mit der Person, mit der man Tag und Nacht zusammen ist, nicht ab und zu mal aneinander geraten würde. Das ist gesund, es verschafft Erleichterung, und wenn man nicht übelnehmerisch veranlagt ist, dann dürfte die Beziehung eigentlich keinen Schaden nehmen.«
Carla zitterte trotz der Heizung.
»Wir nehmen aber Schaden.«
Erik seufzte.
»Weißt du, was deine Mutter zu mir gesagt hat, bevor sie nach Tromsö zurückgegangen ist?«
»Scheiß auf dich und deine englische Schlampe?« Sie bereute es, sobald die Worte ihre Lippen verlassen hatten, erstaunt darüber, dass die Wut immer noch da war, fast zwei Jahrzehnte später. Aber Erik lächelte nur schief, und falls sich dahinter Schmerz verbarg, so verbarg er ihn gut. Sie streckte eine Hand nach ihm aus. »Tut mir Leid.«
»Braucht es nicht.« Das Lächeln flackerte etwas, hielt aber. »Du hast ganz Recht, sie hat etwas in der Richtung gesagt. Mehr als einmal. Aber sie hat auch gesagt, dass es längst an der Zeit gewesen sei, dass es sie im Grunde nicht überrascht habe, denn wir hätten einfach keinen Spaß mehr miteinander gehabt. Genau das hat sie gesagt. Wir haben keinen Spaß mehr, Erik.«
»Ah, nun komm aber!«
»Nein, sie hatte Recht, Carla.« Jetzt war doch ein schmerzlicher Ausdruck in seinem Gesicht, als er sie ansah. »Deine Mutter hatte meistens Recht, was diese Dinge anging. Ich war immer zu sehr mit der Politik und meiner Wut beschäftigt, um die Wahrheit über unsere Gefühle zu erkennen. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir hatten keinen Spaß mehr. Wir hatten schon seit Jahren keinen richtigen Spaß mehr gehabt. Das war der Hauptgrund, warum ich bei Karen gelandet bin. Mit ihr hatte ich Spaß, während deine Mutter und ich schon lange keine Ambitionen in der Richtung mehr hatten.«
»Chris und ich haben noch Spaß«, sagte Carla schnell.
Erik Nyquist sah seine Tochter an und seufzte wieder. »Dann halt an ihm fest«, sagte er. »Denn wenn das wahr ist, wenn es wirklich so ist, dann ist das, was
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