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Profit

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Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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haben, schlicht als Politik des Neids diskreditiert werden.‹« Sie ließ das Buch sinken. »Ja, na und?«
    »Das ist dein Problem, Carla.« Erik hatte sich, während sie las, nicht hingesetzt. Er stand mit dem Rücken zur Heizung und sah zu ihr hinunter, als wäre sie eine seiner Schülerinnen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, wieder fünfzehn Jahre alt zu sein. »Unaufgelöste Widersprüche. Chris mag immer noch der Mann sein, den du geheiratet hast, aber er ist auch ein Soldat für die neue Wirtschaftsordnung. Ein Unternehmenssamurai, wenn man es in ihrer eigenen Bildersprache ausdrücken will.«
    »Das weiß ich, Dad. Das ist nichts Neues. Ich weiß, was er macht, ich weiß, wie seine Welt funktioniert. Ich helfe mit, die Fahrzeuge zu bauen und zu reparieren, mit denen sie sich gegenseitig umbringen, falls du es vergessen haben solltest. Ich bin genauso an all dem beteiligt, Dad. Was?«
    Er hatte den Kopf geschüttelt. Nun hockte er sich zu ihr und ergriff sanft ihre Hände.
    »Carla, es geht hier nicht um euch als Paar. Im Grunde geht es kaum um dich. Benito spricht von Widersprüchen auf der persönlichen Ebene. Mit dem zu leben, was man ist, was die Gesellschaft ist. Bei Hammett McColl kam Chris damit zurecht, weil da noch ein gewisser Firnis von Respektabilität über allem lag. Bei Shorn ist das nicht der Fall.«
    »Ach, Blödsinn. Dad, du hast gelesen, wie diese Leute sind. Früher, als es noch Verlage gab, die den Mut hatten, so etwas zu veröffentlichen, hast du über sie geschrieben. Der einzige Unterschied zwischen Conflict Investment und Emerging Markets ist der Risikograd. Bei Emerging Markets mögen sie keine Konflikte, keine Instabilität. Bei CI leben sie davon. Aber das Prinzip ist dasselbe.«
    »Hmm.« Erik lächelte und ließ ihre Hände los. »Das klingt für mich, als wenn Chris spricht. Und wahrscheinlich hat er sogar Recht. Aber das ist nicht der Punkt.«
    »Das hast du jetzt schon ein paarmal gesagt, Dad.«
    Erik zuckte die Achseln und setzte sich wieder. »Ja, weil du es anscheinend nicht begreifen willst, Carla. Du glaubst, es gäbe einen Spalt zwischen dir und Chris, und ich sage: Nein, der Spalt verläuft in Chris’ Innern. Jetzt sagst du, es gebe keinen Unterschied zwischen dem, was er früher gemacht hat, und dem, was er jetzt macht, und das mag, abgesehen von ein paar semantischen Spitzfindigkeiten, auch zutreffen. Aber für Chris hat sich nicht nur das verändert, was er tut, sondern auch, wo er es tut und für wen er es tut, und das ist es, was zählt. Zusammen mit Nakamura und Lloyd Paul ist Shorn Associates das aggressivste Unternehmen auf dem Investmentsektor. Das gilt für ihre Arbitrage- und Emerging-Markets-Abteilungen genauso wie für Conflict Investment. Sie sind der Inbegriff der knallharten Firma. Kein Glanzanstrich, keine moralischen Scheinbegründungen. Sie tun, was sie tun, und sie sind die Besten. Das ist ihr Verkaufsargument. Du gehst zu Shorn, weil sie fiese Schweine sind, und sie vermehren dein Geld, egal, was passiert. Scheiß auf ethisch vertretbares Investieren, ich will eine fette Dividende sehen und ich frag nicht danach, wie sie zustande gekommen ist.«
    »Du hältst Vorträge, Dad.«
    Es folgte ein angespanntes Schweigen. Carla starrte ins Heizungsglühen und fragte sich, warum es ihr so leicht fiel, ihrem Vater ständig Stacheln ins Fleisch zu treiben. Dann lachte Erik Nyquist leise vor sich hin und nickte.
    »Du hast Recht«, sagte er fröhlich. »Entschuldige. Ich vermisse es so sehr, meine Gedanken gedruckt zu sehen, dass es sich in mir aufstaut. Und herausbricht, sobald ich Gelegenheit habe, mich mit jemandem zu unterhalten.«
    »Macht nichts«, sagte sie reserviert. »Ich wünschte nur…«
    »Na, was denn?«
    Plötzlich kam ihr eine Erinnerung, lebhaft, strahlend weiß. Sie musste sechs oder sieben gewesen sein damals, war zu Besuch bei ihren Großeltern in Tromsö und mummte sich in die Draußen-kalt-drinnen-warm- Sicherheit ein, die diese Besuche zuverlässig gewährten. Sie sah Erik und Kirsti Nyquist auf Skiern, sich gegenseitig stützend auf einem Hügel hinter dem Haus von Kirstis Eltern, miteinander lachend. Spaß habend auf diese bestimmte Nyquist-Art, von der sie sich als Kind immer vorgestellt hatte, dass sie ebenso ihr eigenes künftiges Eheleben prägen würde wie auch das ihrer Eltern, für immer und ewig.
    Das Bild verblasste, verschwand im stumpfen roten Glühen des Heizstrahlers. Sie griff nach ihres Vaters Hand.
    »Ach,

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