Profit
»Aufgenommen letzte Woche an Bord von Haithem Al-Ratrouts Privatjacht. Einige der Gesichter wirst du kennen.«
Es war ein typisches Paparazzifoto. Flüchtige, eher unvorteilhafte Ansichten von Leuten, die normalerweise nur in Hochglanz gehüllt vor das öffentliche Auge traten. Chris entdeckte zwei aktuelle Hollywoodsternchen, die exakt jene Dekolletes zur Schau stellten, die sie berühmt gemacht hatten, den US-Außenminister, der gerade die Olive aus seinem Martini fischte, und…
»Da auf der linken Seite, das ist Echevarria junior. Der in dem Ingram-Anzug und dem bescheuerten Hut. Und der neben ihm steht, das ist Conrad Rimshaw, Geschäftsführer der Conflict-Investment-Abteilung bei Lloyd Paul New York. Auf der anderen Seite, etwas weiter hinten, siehst du Martin Meldreck von Calders Rapid, Abteilung Kapitalanlage. Die Geier versammeln sich.«
»Aber der Vater ist bisher noch auf unserer Seite, ja?«
»Bisher.« Bryant nickte und berührte einen anderen Punkt des Bildschirms. Das Foto schrumpfte und machte Platz für ein Arbeitsblatt. »Es ist allerdings echt mühselig. Das hier sind Zahlen aus der Etatüberprüfung, von der ich gesprochen habe. Alles, was rot ist, ist kontrovers. Er will mehr haben, wir können ihm nicht mehr geben.«
Es war sehr viel Rot zu sehen.
»Die Echevarrias werden von Shorns Madrider Büro betreut, seit Hernan im Jahr ’27 den Staatsstreich durchgezogen hat. Gute, verlässliche Kunden. Unsere Emerging-Markets-Abteilung hat sie während des ganzen Bürgerkriegs und auch bei den drakonischen Maßnahmen hinterher unterstützt.« Mit Hilfe seiner Finger, die er einen nach dem anderen zurückbog, zählte Bryant auf: »Brennstoff und Munition, Medikamente, Kampfhubschrauber, Subversionsabwehrspezialisten, Verhörtechnologie. Alles zu Schleuderpreisen, und über zwanzig Jahre lang hat es sich großartig rentiert. Ruhig gestellte Bevölkerung, niedrige Löhne, exportorientierte Wirtschaft. Ein neoliberaler Traum.«
»Aber das war einmal.«
»Das war einmal. Jetzt haben wir eine neue Generation von Guerilla in den Bergen, die nach Landreform schreit, eine neue Generation von unzufriedenen Studenten in den Städten, und wir können wieder ganz von vorn anfangen. Emerging Markets hat Schiss gekriegt und die ganze Kiste wie eine heiße Kartoffel in den Schoß von Conflict Investment fallen lassen. Hewitt hat sie an Makin weitergegeben.«
»Nett von ihr.«
»Ja, das war gleich nach Guatemala, Makins Renommee hatte Spitzenwerte. Topprovisionsanalyst des Jahres und alles. Vermutlich hat Hewitt gedacht, er würde die Sache im Schlaf schaukeln. Aber es lief nicht so gut, deswegen bin ich mit hinzugezogen worden. Jetzt darf Makin Echevarria mit mir teilen, und ich muss sagen…« Bryant ging zur Tür und drückte sie ganz zu. Seine Stimme senkte sich. »Ich muss leider sagen, dass er die Sache nicht gut im Griff hat.«
Chris lehnte sich gegen die Schreibtischkante, fühlte die freundschaftliche Wärme einer verschwörerischen Vertraulichkeit aus seinem Gegenüber strömen.
»Wo liegt das Problem?«
Bryant seufzte. »Das Problem ist, dass Makin nicht weiß, wie er mit Echevarria umzugehen hat. Weißt du, er ist an diese Kleinspurrevolutionäre gewöhnt, die sich mit ihren Bildungsprogrammen für die Bauern im Dschungel vergraben, und er glaubt, dass Echevarria auch so einer ist, der es nur zufällig zu was gebracht hat.«
»Oh.«
»Yeah, ich hab’s ihm auch gesagt. Wenn es einen Adel gibt in dem Teil der Welt, dann gehören die Echevarrias dazu. Daher auch die Bindung an Europa. Der alte Hernan verfolgt seine Ahnen bis zurück zu Pizarros Original-Conquistadores – wie er nicht müde wird, uns unter die Nase zu reiben. Heißt natürlich nur, dass er von irgendeinem total mittellosen jüngeren Sohn abstammt, der sich einen Platz auf einem spanischen Schiff gekrallt hat, um sein Glück als Söldner zu machen, aber es kommt nicht gut an, wenn man dergleichen in einer Etatbesprechung erwähnt.«
»Hat Makin das getan?«
Bryant lachte. »Nein, ich übertreibe. Dafür ist Makin ein zu guter Unterhändler. Aber es kommt ihn jedes Mal hart an, wenn Echevarria sein Adelsgequatsche vom Stapel lässt. Du kannst praktisch sehen, wie seine Lippen sich verziehen. Echevarria merkt es natürlich auch, sein verdammter Latino-Stolz kocht hoch, Makins Lippen verziehen sich noch mehr, und dann sitzen wir da und kommen nicht weiter. Wir versuchen ihn auf irgendwas Langfristiges festzunageln, damit die
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