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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufbrodelte.
    »Wollte ich auch nicht«, sagte sie. »Aber jetzt bin ich doch lieber allein an einem sicheren und normalen Ort als mit dir hier in diesem Rattenloch.«
    Sie drehte sich nicht um, um sein Gesicht zu sehen.
    Das war auch nicht nötig.
    Es gibt Schäden, hatte Chris einmal zu ihr gesagt, die brauchst du gar nicht zu sehen. Du weißt schon beim Aufprall, was du angerichtet hast. Du kannst es fühlen. Hinterher musst du dann nur noch machen, dass du wegkommst.
    Sie ging packen.

 
     
DATEI 02:
Zuständigkeiten

 
FÜNFZEHN
     
     
    Die Eingebung kam, als Chris am Tresen des Louie Louie’s auf seinen doppelten Cappuccino wartete.
    Er hatte gestern Abend noch lange am Schreibtisch gesessen, war alle Eventualitäten durchgegangen, und als er endlich zu Bett ging, schlief Carla bereits. So war es jetzt immer häufiger. Die Arbeit am Kambodscha-Vertrag hielt ihn zunehmend im Büro fest. Er war gezwungen, seine Selbstverteidigungskurse und Schießübungen in die Mittagszeit zu legen, wodurch sich der Arbeitstag noch länger hinzog. Carla war während der Woche mindestens zwei, manchmal sogar fünf Stunden eher zu Hause als er, und so hatten sie den Anspruch, gemeinsam zu Abend zu essen, praktisch aufgegeben. Er aß die Reste dessen, was sie sich früher am Abend gekocht hatte, und erzählte ihr flüchtig von seinem Tag. Das Bepacken des Geschirrspülers war in der Regel die einzige gemeinsame Aktivität des Abends; danach verzog sich der eine nach oben zum Lesen und ließ den anderen allein im Wohnzimmer mit sich und der Unterhaltungselektronik zurück.
    Das häusliche Leben war von einer Art distanzierter Höflichkeit geprägt. Sex hatten sie in zusehends unregelmäßigen Abständen, aber sie stritten sich auch seltener als je zuvor, weil sie meistens weder die Zeit noch die Energie besaßen, über irgendetwas von Bedeutung zu sprechen. Es war immer mal wieder die Rede davon, dass sie zusammen wegfahren wollten, in ein langes Wochenende nach New York oder Madrid zum Beispiel, um mal abzuschalten und wieder aufzuladen, aber irgendwie wurde nichts daraus. Entweder vergaß Carla, sich für den Sonnabend freizunehmen, oder Chris wurde kurzfristig in ein Wochenendmeeting des Kambodscha-Teams abgerufen. Der Sommer brach an und zeigte sich angenehm freundlich, aber die Oberflächlichkeit legte sich in immer dickeren Schichten über ihren Alltag, sodass Chris das milde Wetter eigentlich nur noch in Momenten der Isolation genießen konnte und seltsam unwillig war, diese zugunsten von Carla aufzugeben.
    Er lag neben ihr im Bett und grübelte unablässig, bis er endlich einschlief.
    Auf der Fahrt zur Arbeit an diesem Morgen hatte er es wieder versucht, war aber nach dem kurzen Nachtschlaf zu müde gewesen. In den letzten Wochen hatte er seine übliche Vorsicht beim Fahren so schleifen lassen, dass man unter anderen Umständen von Leichtfertigkeit hätte sprechen müssen. So, wie die Dinge lagen, war seine Haltung jedoch nachvollziehbar. Im Anschluss an die Nakamura-Auseinandersetzung war viel über den gefährlichen neuen Akteur am Shorn-Tisch gesprochen worden, und keiner der jungen No-Name-Herausforderer war sonderlich erpicht darauf, gegen Chris Faulkners leicht zu identifizierenden Saab-Spezial anzutreten. Die Zwischenraumpanzerung des Fahrzeugs und Mitsue Jones’ Tötung durch dessen Besitzer wurden in Fahrerkreisen gleichermaßen glorifiziert – immer neue, meist durchaus ungesicherte Details kursierten, bis selbst Chris Schwierigkeiten hatte, die Tatsachen von dem Dickicht der Ausschmückungen zu trennen, das jene zu überwuchern drohte. Zumal er wohl mehr oder weniger der Einzige war, der sich darum noch bemühte. Eins aber stand, ungeachtet allen Hypes, in der Londoner Innenstadt außer Frage: Es musste einfachere Wege geben, sich einen Namen zu machen, als gegen Chris Faulkner anzutreten.
    »Doppelcapp für Chris«, rief die Bedienung am Tresen.
    Mit dem Personal des Louie Louie’s verkehrte er dieser Tage auf vertrautem Fuß – sie hatten die Titelseite des GQ vom letzten Monat an die Wand hinter den Tresen gehängt. Widerstrebend hatte er sein Autogramm darauf gesetzt, und jetzt grinste ihm jedes Mal, wenn er bestellen wollte, sein eigenes, sorgsam zurechtgemachtes Gesicht unter dem einengenden Hochglanz und der schwarzen Tinte entgegen. Er fühlte sich etwas unbehaglich dabei. Der Ruhm war wie ein zäher Saft auf ihn herniedergetropft, und jetzt verfestigte er sich, um ihn wie Bernstein in sich

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